Die Wasserqualität der Glems ist beispielsweise in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden. Foto: Michael Steinert

Der Nesenbach fristet weiter ein Dasein als unterirdischer Mischwasserkanal. Doch die Wasserqualität vieler anderer Gewässer Stuttgarts, etwa die der Glems, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.

Innenstadt - Niemand sieht ihn und kein Sonnenstrahl dringt zum Nesenbach vor. Sein Schattendasein als Mischwasserkanal im Untergrund begann vor mehr als 100 Jahren. Seither ist er zwischen Heslach und dem Neckartor verdolt und unter dem Asphalt zum Sammelkanal der Abwässer aus der Kernstadt und der südlichen Stadtbezirke verkommen. Damit hat er unwiederbringlich alle Eigenschaften verloren, die einen Bach auszeichnen. Doch seine Seitenzuflüsse aus dem südlich gelegenen Quellgebiet sind heute ökologisch intakte Gewässer.

Das ist das erfreuliche Ergebnis des Abschlussberichts über die Güteklasse der Fließgewässer in Stuttgart, den das Umweltamt veröffentlicht hat. Erstmals sind in der jetzt vorliegenden Untersuchung der Stadt alle Bachläufe verzeichnet. Insgesamt werden sie in fünf größere Gewässersysteme eingeteilt: Glems, Feuerbach, Nesenbach, Körsch und Dürrbach. Zusammen mit den zahlreichen kleineren fließenden Gewässern kommt die Landeshauptstadt so auf rund 150 Kilometer Bachläufe. Im Auftrag der Stadt wurden an 96 Stellen Wasserproben entnommen und auf Säuregehalt, Leitfähigkeit, Temperatur und Sauerstoffsättigung untersucht. Ein weiteres Kriterium für die Güte eines Gewässers ist das Vorkommen von Fischen wie beispielsweise dem Stichling und Kleinlebewesen wie dem Bachflohkrebs und der Steinfliegenlarve. Insgesamt wurden in den hiesigen Bächen 279 Tierarten gefunden. Selbst in jenen Zuläufen des Nesenbachs, die nur als kleine Klingen fließen und mitunter nur sehr wenig oder gar kein Wasser führen, überleben bestimmte Arten von Kleinlebewesen auch während der wasserarmen Zeit.

Lebensraum für den fast ausgestorbenen Steinkrebs

Während der Nesenbach tot ist, plätschern seine kleinen, klingenartigen Seitenbäche in der zweitbesten Güteklasse. Hierzu gehören Elsenbach und der Branbach bei Kaltental, die Schwälblesklinge und die Hahnenklinge im Bereich Heslach, der Kienlebach und die Eulenrainklinge im Bereich Mitte sowie die Fuchsrainklinge in Gablenberg. Auch der Nesenbach-Ersatzbach zwischen Kaltental und Heslach hat sich nach seiner Freilegung zu Beginn des Jahrzehnts so gut erholt, dass er jetzt ebenfalls der Güteklasse I bis II zugeordnet wird. Sie wird an Gewässer vergeben, die nur „gering belastet“ sind.

Alle diese Zuflüsse zum Abwassersammler Nesenbach sind in ihrem Unterlauf ebenfalls verdolt. „Fische können deshalb nicht zum Neckar wandern“, erklärt Reinhold Alt, der bei der Stadt für Gewässerökologie und Hochwasserschutz zuständig ist. Durch die Verdolung haben sich hier isolierte Wasserräume gebildet und völlig unerwartet hat dies aber nicht nur negative Wirkungen. Der fast ausgestorbene Steinkrebs konnte hier überleben. Die Tierart steht auf der roten Liste, weil sie in freien Gewässern von der Krebspest, die aus anderen europäischen Ländern eingeschleppt wurde, fast ausgerottet worden ist.

Noch gibt es Bäche mit kritischen Werten

Auch die kleinen Waldklingen sind ebenfalls ökologisch intakt. Zu ihnen gehört der Kohlbach, der zu den wenigen Bächen Stuttgarts mit der besten Güteklasse I gehört. Ebenfalls ein Juwel vor allem mit Blick auf seinen Artenreichtum an Tieren ist der Bernhardsbach, der Hauptzufluss zum Bärensee. In seinem Unterlauf haben ihn die Gutachter eine Klasse aufgewertet. Dagegen gilt die Wasserqualität im Unterlauf des Katzenbachs und des Paffenwaldbaches, die ebenfalls beide in den Bärensee fließen, als kritisch. Der Grund sind die Stauanlagen in diesen Bächen.

Insgesamt hat sich die Wasserqualität gegenüber den 60er und 70er Jahren deutlich verbessert. Damals war die Wasserqualität extrem schlecht, weil es zu wenige Kläranlagen gab und die wenigen vorhandenen Abwasserklärwerke waren, gemessen an heutigen Standards, wenig effizient. „Die natürliche Reinigungskraft der Gewässer, vor allem der kleineren Bäche, war bei weitem nicht in der Lage, die großen Mengen eingeleiteten Abwassers zu verkraften“, sagt der Leiter des Umweltamts, Werner Flad. Die Bäche wurden durch Stickstoff und Phosphor überdüngt. Fische und andere Lebewesen erstickten. Algen bildeten grüne Teppiche und Rückstände aus Waschmitteln waren als Schaumkronen sichtbar.

Abwässer bleiben ein Problem

Erst als Anfang der 90er Jahre die Algenteppiche in Seen und auf den Meeren überhand nahmen, wurde die Überdüngung der Gewässer durch den Bau von Kläranlagen und Regenüberlaufbecken gestoppt. „Auch Industriebetriebe sind heute mit eigenen Abwasserbehandlungsanlagen ausgerüstet, die die in den Produktionsabwässern enthaltenen Schwermetalle und sonstigen Schadstoffe zurückhalten“, betont Flad. Zur Verbesserung der Wasserqualität tragen auch wesentlich die Regenrückhaltebecken bei. Von den 89 erforderlichen Reservoiren sind 70 in Betrieb, sieben werden derzeit gebaut, der Rest soll bis 2015 fertig sein.

Dennoch wird mancher Nesenbachzulauf bei Starkregen mit Abwässern verschmutzt, obwohl die Regenrückhaltebecken bei einem Wolkenbruch das verschmutzte Wasser auffangen und über einen Kanal der Kläranlage zuleiten. Das klappt jedoch nicht immer. Deshalb taucht der Wolfersbergbach in dem Bericht als Schlusslicht in der Qualitätsskala auf. „Mittlerweile ist er wieder sauber“, bemerkt Alt dazu. Als im Sommer 2009 dort gemessen wurde, war er durch Abwasser verschmutzt gewesen, denn „der erste und stark verschmutzte Stoß bei Starkregen geht immer ins Regenrückhaltebecken und von dort ins Klärwerk. Wenn das Becken aber voll ist, fließt das verschmutzte Wasser dann doch direkt in den Bach“, sagt Alt.