Stuttgarter Frauen ist der zweite Teil der Charakterköpfe von Wilhelm Betz. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Wilhelm Betz (Fotos) hat mit Conny und Uwe Bogen (Texte) prominente Damen aus Stuttgart porträtiert. Für Stuttgart-Kenner sind die meisten Damen keine Unbekannten.

Stuttgart - Mit den Frauen sei es jetzt irgendwie leichter gewesen: Sie seien natürlich gesprächiger gewesen und hätten viel ausführlicher über sich selbst erzählt. Und die Castings wären einfacher gewesen. Die Frauen hatte Wilhelm Betz auch viel schneller gefunden. „Wenn eine zum Shooting da war, hat sie mir gleich noch eine andere Frau empfohlen“, erzählt der 63-Jährige. „So ging das oft.“

57 Frauen sind in seinem neuen Buch „Charakterköpfe. Stuttgarter Frauen“ verewigt. Und bevor jemand fragt: Natürlich gibt es nicht nur weibliche Charakterköpfe. Bereits vor einem Jahr hat Betz ein Buch mit Porträts von Männern veröffentlicht. Das allein war eigentlich der Anlass für den zweiten Band – nun nur mit Frauen. Denn die häufigste Frage die Betz dem Neufotografen damals, gestellt wurde, war eben: „Warum nur Männer? Haben Frauen keinen Charakter?“ Seine Ausrede war immer, „harte Lichtsets und kontrastreiche Bearbeitungen“ seien für Frauenporträts nicht optimal. Die Männer hatte Betz mit „Ecken und Kanten“ dargestellt.

Für die Frauen hat er ein weicheres Licht gewählt

Das wollen Frauen natürlich nicht. Viele Frauen wollen auf Fotos besser aussehen als in Echt. Wie also vorgehen? Betz hat, wie er erzählt, mit „einem weicheren Lichtset fotografiert“ und eine etwas andere Bearbeitung gewählt, eben nicht so harte Kontraste. „Beauty-Retusche haben wir natürlich auch gehabt“, sagt er schmunzelnd. Interessant seien dabei vor allem die Diskussionen gewesen: „Darüber, was die Sahneseite der Frau ist.“ Die linke oder die rechte Gesichtshälfte? Diese Debatten habe er bei den Männern doch nicht so intensiv führen müssen.

Für Betz ist es wichtig, dass die Stimmung am Set stimmt, seine Modelle sich wohlfühlen. Deshalb hat er sie oft in deren gewohnter Umgebung besucht, bei ihnen zu Hause oder an der Arbeitsstätte. Für Betz sei das zwar oft „Neuland“ gewesen, aber er habe dabei eben spannende Orte entdeckt. Er nennt es „bemerkenswerte Situationen“: Wohnungen in „traumhafter Aussichtslage“, der King’s-Club-Keller, wo er die „Wirtin“ aufgenommen hat und von einem Shooting im nach Marcia Haydée benannten Ballettsaal im Staatstheater.

Fotografen? Zählen für eines seiner Models zu den unangenehmsten Menschen

Fotografiert hat er da die Namensgeberin – Marcia Haydée. Das Foto hat ihr so gefallen, dass sie es sogar als Facebook-Profilbild verwendete und Betz damit ziemlich stolz machte. Unter anderem auch mit einer Bemerkung, die die einstige Primaballerina kurz nach ihrem 80. Geburtstag äußerte: „Wilhelm, das sind ganz tolle Aufnahmen. Die machen wir zu meinem 90. Geburtstag wieder.“ Eine andere Dame war durchaus kritischer. Sie gab ihm gleich zu verstehen, dass Fotografen – neben Zahnärzten und Friseuren – für sie zu den unangenehmsten Menschen zählten. Aber Betz durfte trotzdem ein Foto machen.

Für Stuttgart-Kenner sind die meisten Damen keine Unbekannten. Linken-Stadträtin und Kings-Club-Besitzerin Laura Halding-Hoppenheit ziert das Cover – bekannt ist sie vor allem durch ihren langen Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. Die Frauen sollten aber auch ein Abbild der weiblichen Stuttgarter Gesellschaft sein. Sie kommen aus Kultur, Politik, Wirtschaft, Sport und eben aus der Gastronomie wie Halding-Hoppenheit. Außerdem ist Landtagspräsidentin Muhterem Aras dabei, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, die T-Systems-Geschäftsführerin Anette Bronder, Lindenmuseum-Direktorin Inés de Castro und Volleyball-Profi Kim Renkema. Natürlich darf in so einem Band auch Baden-Württembergs First Lady Gerlinde Kretschmann nicht fehlen.

Die Stuttgarter Frauen sind bereits das zweite Projekt von Betz

Ergänzt sind die ausdrucksstarken Fotografien durch geschriebene Porträts, die der unser Redakteur und Buchautor Uwe Bogen mit der Radiojournalistin und Autorin Conny Mertz-Bogen geschrieben hat. So verriet darin eben Gerlinde Kretschmann, dass ihr das Wort „First Lady“ ebenso wenig behage wie „Landesmutter“. Sie sei doch immer noch sie selbst – Gerlinde Kretschmann eben. Viele Frauen haben in den Texten ihre Wünsche für Stuttgart geäußert. Kretschmann sagte, ihr falle „momentan“ gar nichts Negatives zur schwäbischen Landeshauptstadt ein.

Bei seinem nun zweiten Projekt hat Betz seine Erfahrung vom letzten Buch geholfen. Er ist keineswegs Profi-Fotograf, der auf eine langjährige Karriere zurückblickt. Vielmehr hat er im Vertrieb gearbeitet, war ITler bei IBM. Die Fotografie war sein Hobby; das technische Wissen hat er sich im Selbststudium angeeignet. Nach 40 Jahren ging Betz in Altersteilzeit. Den Ruhestand genießen, das allein war aber wohl nichts für ihn. Mit knapp 60 Jahren schrieb er sich deshalb für ein Fotodesign-Studium ein. Die Buchidee zu den männlichen Charakterköpfen ist damals aus einer Seminararbeit heraus entstanden.

Die Fotos sollen ein buntes, vielfältiges Stuttgart spiegeln

Geübt hat Betz anfangs noch mit Freunden, sich mit Youtube-Videos weitergebildet und dabei letztlich auch seine Leidenschaft zur Porträtfotografie entdeckt. Schon beim ersten Buch, wie jetzt auch bei den weiblichen Charakterköpfen, hat ihn seine Frau Karin als Model-Scout unterstützt. Sie lese viel Zeitung und habe darin immer immer wieder nach interessanten Stuttgarter Persönlichkeiten recherchiert und ihm vorgeschlagen, sagt Betz. Das hat sie auch bei dem Frauenbuch getan. Junge Frauen sind dabei und ältere. Verschiedene soziale Schichten hat Betz berücksichtigt, ebenso wie unterschiedliche Nationalitäten und politische Einstellungen. „Ich wollte zeigen, wie bunt Stuttgart ist.“

Buch
„Charakterköpfe“, Wilhelm Betz, Conny Merz-Bogen, Uwe Bogen, Silberburg-Verlag, 127 Seiten, 29,90 Euro