Elisabeth Seitz verpasst Bronze. Foto: dpa

Das war Pech: der Turnerin Elisabeth Seitz aus Stuttgart fehlten lächerliche 0,033 Punkte zu einer Medaille. Vor Enttäuschung liefen die Tränen.

Rio de Janeiro - Was die deutschen Turnerinnen Sophie Scheder und Elisabeth Seitz am Ende des packenden Stufenbarren-Finales gemeinsam hatten, waren ihre Tränen. Beide weinten nach ihren Platzierungen drei und vier, mal die eine mehr, dann die andere. Doch es gibt ja zwei Arten von Tränen: Die der Freude und die des Frusts – insofern hatten die beiden dann doch nichts gemein.

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Sophie Scheder weinte vor Glück, sie hatte eine wunderbare olympische Bronzemedaille geholt, alles prima. Doch die für den MTV Stuttgart startende Mannheimerin Elisabeth Seitz vergoss bittere Tränen der Enttäuschung. Weil die Teampartnerin dieses Bronze bekam, nicht sie. An diesem Spätnachmittag in der Olympic Arena spielte sich ausgerechnet zwischen zwei deutschen Turnerinnen das übliche Drama ab, zu dem es kommt, wenn jemand den dritten Podestplatz verpasst. Zwischen Rang drei und vier liegen Lichtjahre. Dazwischen befindet sich die brutale Trennlinie zwischen Erfolg und Misserfolg.

Lieber Fünfter als Vierter

Lieber Fünfter werden als Vierter – das ist ein stilles Gesetz. Alles, nur nicht so kurz vor Bronze scheitern, es tut so weh und ist so undankbar. Und wenn es dann auch noch knapp ist wie bei Elisabeth Seitz: Fürchterlich! Lächerliche 0,033 Punkte fehlten ihr, um als später Gestartete ihrer Kameradin noch Bronze zu entreißen. Doch sie machte einen Fehler, als sie für die Winzigkeit eines Moments beim Pak-Salto die Beine zu weit auseinander hielt. Damit war der Übergang zum nächsten Element zerstört. „Mein größter Gedanke war: Scheiße, du hast so hart trainiert und wolltest unbedingt diese Verbindung zwischen den Übungen zeigen – das macht mich am traurigsten“, sagte Seitz. Sie schluchzte noch immer. Sie tat einem Leid.

Die Freudentränen waren derweil längst aus dem Gesicht von Sophie Scheder gewichen und wurden abgelöst von einem Dauerlächeln. „Ich habe ihr das Gleiche gewünscht wie mir und habe sie angefeuert, weil ich genau weiß, was sie geleistet hat und was ich geleistet habe“, sagte die Chemnitzern und zeigte gegenüber Seitz auch Größe. „Mist, jetzt ist sie Vierte“, habe sie zuerst gedacht, dann erst realisierte sie ihren Erfolg. So sei sie eben, meinte Scheder, sie denke immer erst an die anderen und dann an sich. Das tat sie dann auch, als sie ihr extrem ausführliches Statement, mit welchem sie ihre Kollegin und Rivalin bedauerte, endlich beendet hatte: „Ich kann jetzt von mir behaupten, dass ich Weltklasse bin.“

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Die Stuttgarterin Seitz ordnete die eigene Platzierung ebenfalls ein. Sie sei jetzt die viertbeste Turnerin der Welt, immerhin, warum solle sie also unzufrieden sein, meinte die Frau, die vor vier Jahren in London Sechste wurde und in Rio den größten Erfolg ihrer Karriere verpasste. Mit dieser Einschätzung versuchte sie wieder die Fassung zu finden, doch wirklich trösten konnte es sie nicht. Der vierte Platz war tatsächlich sehr ordentlich und mehr als das, was man von ihr erwartet hatte – das gleiche galt für die Bronzemedaille von Sophie Scheder.

Versprechen für die Zukunft

Im Tableau rutschten die beiden Deutschen wohl um einen Platz vor, weil die Russin Daria Spiridodonowa, die 2015 Welt- und Europameisterin am Stufenbaren wurde, die Stange nicht erwischte und abgestiegen war in dem Wettkampf, den ihre Landsfrau Alija Fargatowna Mustafina gewann. „Wir haben auch etwas Glück gehabt“, konstatierte die Bundestrainerin Ulla Koch meinte damit auch diesen Umstand. Für Koch war es nicht ausschlaggebend, wer die Medaille gewann, was sie so faszinierte, war ihre Erkenntnis, dass es mit Seitz (22) und Scheder (19) aufwärts geht und sie ein Versprechen für die Zukunft sind. „Für mich sind beide tolle Mädchen, ich bin dankbar, dass wir sie im Team haben und dass die sie sich hier so einen Fight geliefert haben“, sagte die Trainerin – richtete aber sogleich den Blick nach vorne auf die Olmypischen Spiele 2020 in Tokio.

Am Stufenbarren und am Schwebebalken hat die deutsche Mannschaft Fortschritte gemacht, doch ist das noch nicht genug. „Beim Sprung fehlen uns die Doppelschrauben und am Boden noch etwas Akrobatik“, sprach Ulla Koch mit ernstem Blick und sah noch Verbesserungsbedarf. Für ein „ähnlich gutes Ergebnis in London“ gebe es also noch viel zu tun – aber die Bronzemedaille von Sophie Scheder macht im Lager der deutschen Turnerinnen jetzt Lust auf mehr. Und ein bisschen auch der vierte Platz von Elisabeth Seitz.