Klägerin Reinhild Cuhorst aus Stuttgart im Verwaltungsgericht - sie hört nur Radio und sieht es deshalb nicht ein, volle Rundfunkgebühr zu bezahlen Foto: StN

Eine Seniorin aus Stuttgart, die sich als reine Radiohörerin bezeichnet, will nicht die volle Rundfunkgebühr zahlen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart behandelt derzeit ihre sowie eine weitere Klage eines Schwerbehinderten aus Schwäbisch Gmünd.

Eine Seniorin aus Stuttgart, die sich als reine Radiohörerin bezeichnet, will nicht die volle Rundfunkgebühr zahlen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart behandelt derzeit ihre sowie eine weitere Klage eines Schwerbehinderten aus Schwäbisch Gmünd.

Stuttgart - Ein Rollstuhlfahrer aus Schwäbisch Gmünd und eine ehemalige Ärztin aus Stuttgart wehren sich gegen die seit Anfang 2013 geltende Pflicht, wonach sämtliche Haushalte Rundfunkbeiträge zu zahlen haben. Ähnliche Verfahren gab es schon so manche im gesamten Bundesgebiet, der Anwalt der Stuttgarterin spricht von deutschlandweit 600 Klagen und bisher knapp 20 Verwaltungsgerichtsurteilen. Für das Verwaltungsgericht Stuttgart allerdings ist diese Klage gegen den Südwestrundfunk (SWR) Neuland, handelt es sich doch für die hiesige Region um ein Musterverfahren zur der Verfassungsmäßigkeit der Beiträge.

Hintergrund ist der von den Ländern beschlossene Staatsvertrag, nachdem seit dem 1. Januar 2013 grundsätzlich alle Haushalte einen Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro zu entrichten haben – egal, ob überhaupt ein Radio oder Fernseher in der Wohnung ist. Behinderte waren zuvor befreit, sofern in ihrem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen RF stand (als Abkürzung für die Befreiung der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht). Dieses Zeichen wurde erteilt, wenn der schwerbehinderte Mensch ans Haus gebunden war und mindestens einen Grad der Behinderung von 80 Prozent hatte. Seit Anfang 2013 gibt’s teils deutliche Verschlechterungen: Befreit sind weiterhin Hartz-IV-Bezieher, Asylbewerber oder Empfänger von Blindenhilfe. Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen RF werden nun jedoch mit einem ermäßigten Beitrag von einem Drittel von 17,98 Euro, also mit 5,99 Euro zur Kasse gebeten.

Zu ihnen gehört Siegfried Wörner aus Gmünd. Er ist gehbehindert und war wegen des Zeichens RF seit Mai 2005 vom Rundfunkbeitrag befreit. Seit eindreiviertel Jahren muss er knapp sechs Euro zahlen – was er als Behinderter allerdings als nicht korrekt empfindet. Er bemängelt, dass der Rundfunkbeitrag in Wahrheit eine Steuer sei, für die die Bundesländer gar keine Kompetenz hätten. Im Übrigen erfülle der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mal ansatzweise seinen Auftrag der Grundversorgung. Es sei deshalb „überholt, ihn vor der privaten Konkurrenz zu schützen“.

Vor dem Verwaltungsgericht betont Wörner: „Ich habe da viel Arbeit investiert und mir vorgenommen, das bis zum Letzten durchzuziehen. Dies ist mein Beitrag für die Behinderten. Mir geht es nicht um die sechs Euro, die kann ich mir leisten. Ich will die Sache einfach geklärt haben.“

Auch um die Rundfunkgebühr, allerdings mit anderen Voraussetzungen, geht es bei Reinhild Cuhorst. Manche Patienten werden sich vielleicht noch an sie erinnern, war die Spezialistin für Lungenkrankheiten doch bis vor zehn Jahren als Oberärztin an der Klinik Schillerhöhe in Gerlingen tätig. Die 75-Jährige hat zwei Wohnsitze – in Stuttgart sowie in Kressbronn am Bodensee. Gemeldet hatte die alleinstehende Seniorin stets nur ein Hörfunkgerät, um vor allem kulturelle Sendungen oder Musik etwa von Franz Schubert zu genießen. Einen Fernseher habe sie bewusst noch nie gehabt, sagt die die gebürtige Stuttgarterin. Aktuell bezahlt sie noch den früheren reinen Hörfunkbeitrag von 5,76 Euro im Monat – „ich nehme diese Leistung schließlich in Anspruch“.

Gegen die eigentlich fällige volle Summe von 17,98 Euro wehrt sich die promovierte Medizinerin aber entschieden. sie sei eine „Nurradiohörerin“ – ebenso wie bundesweit 1,6 Millionen Menschen, also vier Prozent der Bevölkerung, wie ihr Anwalt Michael Kluska ergänzt. Durch den kompletten Beitrag werde sie überproportional belastet.

In bisherigen Entscheidungen etwa der Landesverfassungsgerichtshöfe Bayern und Rheinland-Pfalz, so der Vorsitzende Richter Michael Schaber, wurden ähnliche Klagen von Behinderten oder reinen Radiohörern abgewiesen. Das Ganze werde „sicher nicht bei uns in der ersten Instanz“, sondern vermutlich vom Bundesverwaltungsgericht entschieden. In welche Richtung es tendiert, will das Stuttgarter Verwaltungsgericht an diesem Donnerstag bekannt geben.