Bevor Laura krank wurde, war sie sehr sportlich, aktiv und viel auf Reisen – wie hier in Peru. Foto: privat

Laura aus Stuttgart hat eine unheilbare Herzkrankheit. Die 33-Jährige steht auf der Warteliste für ein Spenderherz. Sie befürwortet deshalb die Widerspruchsregelung zur Organspende, über die der Bundestag diese Woche entscheidet.

S-West - Die Symptome kamen schleichend. Eine schlechtere Kondition beim Joggen, ziehende Schmerzen am Kiefer bei Belastung. Irgendwann war Laura, die im Stuttgarter Westen lebt, abends nach der Arbeit zu schlapp, um mit dem Fahrrad nach Hause zu fahren. „Ich musste immer wieder absteigen“, erzählt die 33-jährige, gebürtige Berlinerin. Als gar nichts mehr ging, rief sie ihren Mann an und fuhr mit ihm abends in die Notaufnahme. Dort stellten die Ärzte ein Lungenödem fest. Die Diagnose: Kardiomyopathie. Eine Erkrankung der Herzmuskulatur, bei der das Herz weniger leistungsfähig ist.

Ihre Lebensträume? Liegen auf Eis

Reisen, eine Familie gründen und beruflich weiterkommen – das waren die Lebenspläne von Laura und ihrem Mann Anfang 2018. Erst kurz zuvor hatte das Paar geheiratet. Seit der Diagnose besteht das Leben von Laura und ihrem Mann aber aus: warten.

Jeden Tag warten sie. Auf einen Anruf vom Transplantationszentrum Berlin, bei dem Laura für ein Spenderherz gelistet ist. Denn schnell war klar, Laura hat einen untypischen Verlauf der Krankheit. Eine Transplantation ist die einzige Chance für sie.

Sie muss viele Medikamente nehmen, damit ihr Zustand einigermaßen stabil ist. Arbeiten kann Laura seit einem halben Jahr nicht mehr. Sie erhält eine Erwerbsunfähigkeitsrente. „Das ist normal für Leute, die auf der Warteliste stehen“, sagt Laura.

Der Alltag ist für sie sehr mühsam

Ende vorigen Jahres verschlechterte sich ihr Zustand so stark, dass sie nicht einmal mehr mit ihrem Vater um den Block gehen konnte. Im Dezember hatte Laura dann eine Herzklappen-OP, seitdem geht es ihr etwas besser. Sie kann sich auch mal mit Freunden und der Familie treffen. Aber sie müsse sich immer vorher überlegen: Wie komme ich zum Treffpunkt? „Den Fußweg von der Bahnstation – wie bewältige ich den? Funktioniert die Rolltreppe oder der Aufzug?“

Auf den ersten Blick wirkt Laura recht fröhlich. Sie lacht häufig, ist herzlich, kocht Tee, schaut nach ihren zwei Katzen. Ihre Familie und ihr Mann Tobi geben ihr Halt. „Er ist ein Stehaufmännchen, mein Coach, der immer wieder sagt ‚Das schaffen wir’“, erzählt Laura. „Mit meinem Mann und meiner Familie bin ich wirklich gesegnet.“

Jeden Tag warten. Das betrifft ja nicht nur Laura. Ihre Familie in Berlin und ihr Mann leiden ja mit ihr. „Seine Pläne und Träume liegen auch auf Eis.“ Ihr Rückhalt gibt ihr täglich Kraft.

Warten bestimmt nun ihr Leben

Das war nicht immer so. Nach der Diagnose musste ihre Mutter für einige Wochen kommen und sie dabei unterstützen, morgens aufzustehen. „Ich hatte keinen Lebensmut mehr“, sagt Laura. „Es sind unglaublich viele Sachen, die ich umstellen musste. Ich bin jeden Tag damit konfrontiert, ein anderes Leben zu haben.“ Sie müsse sich an vieles gewöhnen. Zur Zeit macht sie sich jeden Tag einen Plan, was sie zu tun hat. „So geht der Tag rum“, sagt sie.

Mindestens sechs Jahre. Das ist die Wartezeit für ein Spenderherz. Es gibt viel zu wenige Organspender in Deutschland. So lange kann Laura wohl nicht warten. Ihre Prognose sind ein, vielleicht anderthalb Jahre. So genau weiß das niemand. Ein passendes Spenderherz zu finden, ist nicht einfach. Es müsste ein junges Herz sein, die gleiche Blutgruppe, gleiche Größe und Gewicht. Dringlichkeit, Dauer der Wartezeit und körperliche Faktoren hängen davon ab, wann jemand ein Spenderorgan bekommt.

Die Situation scheint aussichtslos. Am vergangenen Wochenende haben sich Laura und ihr Mann entschieden, mit Lauras Krankheit an die Öffentlichkeit zu gehen. Ihr Mann Tobi hat einen Post im sozialen Netzwerk Facebook verfasst. Denn am heutigen Donnerstag entscheidet der Bundestag in Berlin unter anderem über einen Gesetzesentwurf zur Organspende von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Das Gesetz sähe eine Widerspruchsregelung vor. Nach dieser gilt jeder als Organspender, der nicht explizit widerspricht.

Der Entwurf ist deshalb umstritten. In 22 von 28 EU-Ländern existiert aber bereits eine Widerspruchsregelung . „Bis jetzt profitiert Deutschland von Ländern, die diese Regelung schon haben“, sagt Laura. Denn in Deutschland gibt es viel zu wenige Spender. Man ist auf Organspenden aus dem Ausland angewiesen. Viele Gesundheitsexperten befürworten deshalb die Widerspruchslösung, weil sie hoffen, so steige die Zahl der Organspender. „Das einzige, was sich durch das Gesetz ändern würde ist, dass jeder Mensch einmal im Leben eine Entscheidung treffen muss. Aber natürlich kann jeder auch Nein sagen“, sagt Laura.

Debatte um Widerspruchsregelung bei möglichen Organspenden

Bisher gilt in Deutschland die Entscheidungsregelung. Das heißt: Im Idealfall setzen sich die Menschen mit dem Thema auseinander und entscheiden sich für eine Organspende. Bis 2017 sank die Zahl der Organspender aber konstant, obwohl laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 84 Prozent der Deutschen positiv gegenüber der Organspende eingestellt sind. Nur 36 Prozent besitzen aber einen Spendeausweis.

Laura und ihr Mann Tobi haben für ihren Post viele positive Rückmeldungen bekommen. Das neue Gesetz würde beiden wieder Hoffnung geben. Bis dahin heißt es: warten.