Gibt es sonst nur in New York oder Amsterdam: Andreas Rothacker vor der Rossknecht Brauerei im Feuerbacher Industriegebiet. Foto: LICHTGUT

Aus der insolventen Cast-Brauerei wurde Rossknecht: Der neue Inhaber Andreas Rothacker feiert die Übernahme des Betriebs vor einem Jahr mit einem Fest und der Eröffnung eines Biergartens im Industriegebiet.

Andreas Rothacker fühlt sich durchaus ein bisschen geehrt: Zwar produzieren die Dinkelackers die 200-fache Menge an Gerstensaft, dennoch schickte ihr Anwalt einen Brief an die Rossknecht Brauerei. Denn ein Bier von Andreas Rothacker hieß Fräulein Cluss, und an Cluss besitzen die Dinkelackers alle Rechte. „Anscheinend sind wir mittlerweile ernst zunehmende Konkurrenz“, sagt der Braumeister und Ludwigsburger Gastronom. Vor einem Jahr hat er die insolvente Cast-Brauerei übernommen, Ende Juli feiert er das Jubiläum mit einem Fest. In der Craft Beer-Szene ist Rothacker damit der größte Produzent. Bei seinen Veranstaltungen räumt er auch der Konkurrenz Platz ein – zum Beispiel für Winzer, die das Bierbrauen für sich entdecken.

 

Eine Brauerei voller cooler Sprüche und Graffiti

„Durst wird durch Bier erst schön“, steht auf der Bar in der Rossknecht-Brauerei. Sie wirkt wie aus einem Bilderbuch, wenn es über die Craft-Beer-Macher eines gäbe: die alte Industriehalle neben den Bahngleisen ist mit bunten Graffiti übersäht, alles Auftragsarbeiten von Andreas Rothacker, eine Tischtennisplatte steht drin, neben der Bar gibt es Sitzgelegenheiten und nach der Jubiläumsparty jeden Freitag und Samstag einen Biergarten vor der Türe. Mit dem Kauf der Cast-Braurei hat sich der 54-Jährige zwar in eine gute Location, aber nicht wirklich in ein gemachtes Nest gesetzt. „Wow, daraus könnte man etwas machen“, dachte er sich, als er als Experte ein Gutachten über den Betrieb für die Bank schreiben sollte. Eine solche Brauerei hätte er in New York oder Amsterdam verortet, gewiss nicht in Stuttgart. Also gab er ein Angebot ab und erhielt den Zuschlag, weil er alles erhalten wollte. In Ludwigsburg absolvierte er vor 33 Jahren im Rossknecht eine Ausbildung zum Brauer, in der Barockstadt gehören ihm die Lokalbrauerei und zwei weitere Restaurants.

Bier-Rezepte im Lockdown entwickelt

Alle Biere, die in der Rossknecht-Brauerei hergestellt werden, sind sein Ding: Während der Lockdowns braute Andreas Rothacker praktisch aus Langeweile zu Hause weiter, 50 verschiedene Sorten kamen auf diese Weise zusammen. Ein Pils hat er im Programm, die belgische Spezialität Wit, ein Red Ale, ein Pale Ale sowie ein Indian Pale Ale und das 0711-Lager. Craft Beer ist für ihn kein neuer Trend, hand- und hausgemacht sei sein Bier von Anfang an. „Wann gibt es euer Bier im Supermarkt“, fragten die Gäste immer wieder in seinen Ludwigsburger Lokalen. Diesen Wunsch hat er mit dem Umzug nach Stuttgart und der dortigen Abfüllmaschine erfüllen können: In 20 Geschäften sind die Rossknecht-Flaschen zu haben.

Als Andreas Rothacker nur in Ludwigsburg braute, fiel sein Fräulein Cluss offenbar niemandem und vor allem nicht den Dinkelackers auf. Es trägt den Namen der letzten Besitzerin des Scala-Gebäudes, in dem er die Gastronomie betreibt. Statt eines medienwirksamen Prozesses benannte er das Bier kurzerhand in Fräulein Müller um. Der 54-Jährige konzentriert sich lieber auf seinen neuen Betrieb. Gleichbleibende Qualität und die Regionalität sind der Türöffner für den Betrieb. Mit Daniel Bleicher hat er außerdem den Gründer der Cast-Brauerei, der vor der Insolvenz ausgeschieden ist, als Berater engagiert. „Unser Auftrag ist, die Kultur des Bieres an die Leute zu bringen, weil es ein tolles Produkt ist“, sagt Andreas Rothacker. Zwei Mal im Jahr veranstaltet er deshalb ein Festival, bei dem die Konkurrenz ihre Produkte in seiner Brauerei vorstellen darf.

Winzer brauen jetzt auch etwas zusammen

Klaus Dieter Warth war auch schon dabei. Der Stuttgarter Winzer hat im vergangenen Jahr erstmals sein Weinbier abgefüllt – im Remstal ist Markus Heid ebenfalls auf den Geschmack gekommen. Das dreifach vergorene Getränk, das im letzten Schritt wie Sekt in der Flasche reift, gibt es in den vier Sorten Riesling, Muskateller, Trollinger und Regent. Der Hobbybrauer Jürgen Arndt hat ihn auf die Idee gebracht: Er experimentierte zunächst mit Trauben im Brauprozess, weil das Ergebnis aber eher ungenießbar war, nutzt er seither den fertigen Wein aus Untertürkheim. „Die Genießer für so ein Getränk gibt es“, ist Klaus Dieter Warth überzeugt. Beim Einschenken ins Stilglas schäumt es wie Bier, im Geschmack setzt sich dann der Wein durch, die Kohlensäure macht es frisch, der Inhalt sorgt für zehn Prozent Alkohol. „Es macht mir echt Spaß“, sagt der Winzer über das Brauen.

Bier in aller Munde

Fest
Das Jubiläumsfest der Rossknecht-Brauerei findet am Freitag, 29. Juli, von 16 bis 24 Uhr und am Samstag, 30. Juli, von 11 bis 24 Uhr in der Brauerei in der Siemensstraße 144 in Feuerbach statt. Ausgeschenkt werden alle Rossknecht-Biere und mehr als 40 Biere der 26 Brauereien des Mon Petit Festivals vom Fass. Dort steht auch der Burger-Foodtruck von Jakes Diner.

Ausstellung
Bier fasziniert auch die Geschichtsforscher: Im Landesmuseum findet von 22. Oktober bis 30. April 2023 die Schau 10 000 Jahre Bier und Wein statt. Die kulturhistorische Ausstellung spannt einen Bogen von der Steinzeit bis zur Gegenwart.