Mitarbeiter halten bei einer Demonstration vor der Konzernzentrale das Andenken an Urvater Robert Bosch hoch. Foto: AFP/Thomas Kienzle

Der Konzern baut Zehntausende Stellen ab und begründet das mit dem harten Wettbewerb. Doch es gibt Zweifel, dass für den Niedergang allein äußere Faktoren verantwortlich sind.

„Like a Bosch“ lautet der Werbeslogan des Stuttgarter Technologiekonzerns. Er steht für Erfindungen, die das Leben leichter machen – ganz in der Tradition von Gründervater Robert Bosch, der viele kühne technische Ideen entwickelte und bis zur Serienreife perfektionierte. Was ist aus diesem Geist geworden?

 

Mit der bahnbrechenden Erfindung der Hochspannungs-Magnetzündung mit Zündkerze trat Bosch 1902 seinen globalen Siegeszug an, dem das Unternehmen bis heute seine Rolle als weltgrößter Autozulieferer verdankt. In den 90er-Jahren revolutionierte Bosch die Dieseleinspritzung mit der Common-Rail-Technologie, die zu weniger Verbrauch und weniger Lärm bei höherer Leistung führte. Auch mit dem Antischleudersystem ESP festigte das traditionsreiche Unternehmen seine Rolle als technologischer Vorreiter.

Die Zündkerze machte den Bosch-Konzern einst groß. Mit einem spezielles Zündsystem revolutionierte er die Technologie. Foto: dpa/David Ebener

Mit bahnbrechenden Innovationen für die breite Masse konnte sich Bosch immer wieder dem Preisdruck der Autohersteller entziehen und Renditen erzielen, die weitere Entwicklungen finanzierten. Doch von den sieben Prozent Rendite, die Bosch als Untergrenze für seine Innovationskraft sieht, ist das Unternehmen heute weit entfernt. Nun soll der Abbau von mehr als 20 000 Stellen die Ertragswende bringen.

Einiges deutet darauf hin, dass dem Unternehmen nicht erst in der aktuellen Krise das Vertrauen in die eigenen Stärken abhanden gekommen ist. Erste Zweifel am Willen, sich weiter gegen die globale Konkurrenz durchzubeißen, kamen bereits 2018 auf, als Bosch entschied, keine Batteriezellen fürs E-Auto zu fertigen. „Wir sind zur Überzeugung gelangt, dass Batteriezellen langfristig ein standardisiertes Massenprodukt sein werden“, erklärte der damalige Kfz-Spartenchef Rolf Bulander. „Wir wissen jetzt, dass wir auch ohne eigene Zellfertigung in der Elektromobilität führend sein werden.”

Bosch fehlt bei Schlüsselkomponente des E-Autos

Aus heutiger Sicht zwei klare Fehleinschätzungen, denn längst ist klar: Die Zelle ist kein austauschbares Standardprodukt mehr, sondern der technologische Kern des E-Autos und zugleich dessen Komponente mit der höchsten Wertschöpfung.

Für ein Unternehmen wie Bosch könnte es kaum ein wichtigeres Betätigungsfeld geben als die Schlüsselkomponente einer Zukunftstechnologie mit all ihren Technologiesprüngen. Doch Bosch verfolgt das Rennen um die Zelle der Zukunft längst auf der Zuschauertribüne und wird deshalb wohl seine Rolle als weltgrößter Autozulieferer an den chinesischen Batteriehersteller CATL verlieren, wenn der Marktanteil elektrifizierter Autos wächst.

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei Sensoren für das automatisierte Fahren. Bosch zählt hier zwar zu den wichtigsten Herstellern, doch ausgerechnet eine zentrale Technologie hat das Unternehmen früh aufgegeben: die anspruchsvollen Lidar-Sensoren auf Laser-Basis, mit deren Hilfe sich der Verkehr auch bei widrigen Bedingungen besser erfassen lässt.

Das Photovoltaik-Trauma von Bosch

Möglicherweise ist Bosch vorsichtig geworden, nachdem man 2008 in die Photovoltaik eingestiegen war und das Geschäft fünf Jahre später wieder aufgeben musste. Chinesische Wettbewerber hatten den Weltmarkt überschwemmt und Bosch Milliardenverluste zugefügt: eine traumatische Erfahrung. Immerhin – in die Fertigung innovativer Chips investierte Bosch Milliarden, ebenso wie in die Wasserstoffwirtschaft, wo der Markt das Engagement bisher aber nicht honoriert.

Weil viele Projekte eingestellt werden, müssen zudem Tausende Software-Ingenieure, die Bosch vor wenigen Jahren eingestellt hatte, das Unternehmen wieder verlassen. Hersteller wie VW und Mercedes entwickeln ihre Betriebssysteme in Eigenregie; Bosch liefert ihnen zwar anspruchsvolle Steuergeräte, Software und Sensoren zu – die Herrschaft über die digitalen Gesamtsysteme aber üben andere aus.

Immerhin verteidigt Bosch seinen Marktanteil im Autosektor – bei vielen innovativen Komponenten wie der über Kabel angesteuerten Bremse und Lenkung sind die Autobauer aber nicht auf exklusive Bosch-Technologie angewiesen. Das mit Abstand größte Investment der Bosch-Geschichte gilt dem Kauf der Klimasparte von Johnson Controls in den USA. Die 7,4 Milliarden Euro investierte Bosch somit nicht in ein ambitioniertes Innovationsprojekt, sondern in ein etabliertes Geschäft.

Der Bochumer Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer fällt ein ungnädiges Urteil: „Bosch war einmal ein Hochtechnologiekonzern. Er baut aber seit vielen Jahren nur noch Standardtechnologie.“ Konzernchef Stefan Hartung erklärte dagegen im Mai, Bosch habe im vergangenen Jahr mehr als 6700 Patente angemeldet und zähle laut einer Analyse zu den 100 innovativsten Unternehmen der Welt. „Das eröffnet uns auch im widrigen Umfeld zahlreiche Zukunftschancen.”

Dominiert bei Bosch heute das Controlling-Denken?

Im Unternehmen gibt es jedoch Stimmen, die diesen Optimismus nicht mehr teilen. Schon seit längerem dominiere das Controlling-Denken über das Denken in neuen Produkten, ist zu hören. Dass „der Bosch“ eine neuartige 48-Volt-Batterie über mehrere Quartale hinweg nicht an Mercedes liefern konnte und diesem Premiumkunden neben zwei wichtigen Modellanläufen das Geschäftsjahr 2023 vermasselte, wäre früher unvorstellbar gewesen.

Das habe nicht nur mit Corona zu tun, sondern auch damit, dass man 2017 einen auf derartige Technologien spezialisierten Geschäftsbereich nach China verkauft habe. Wie dringend Bosch auch danach noch auf dessen Mitarbeiter angewiesen war, habe man erst gemerkt, als sie längst weg waren. Für den anstehenden Stellenabbau verheiße das nichts Gutes.

Wo ist das Besondere von Bosch geblieben?

Der unternehmerische Mut, groß zu denken, mache seit jeher den innersten Kern der Bosch-Identität aus – kombiniert mit der Fähigkeit, ambitionierte Ideen in serienreife Produkte zu übersetzen und diese in hohen Stückzahlen fehlerfrei auf den Markt zu bringen. Auf diesen Grundwerten beruhe die wirtschaftliche Solidität von Bosch – und mit ihr die einzigartige soziale Ausrichtung, für die das Unternehmen seit 140 Jahren stehe.

Diese tief verwurzelte, über Generationen gelebte Identität gehe nun Stück für Stück verloren, sagen interne Kritiker. Bosch sei daher auf dem Weg, zu einem „stinknormalen Großkonzern“ zu werden.