Es ist ein blutiger Bandenkrieg zwischen Rockerclubs, den Rafael Binkowski dargestellt hat. Dafür werden die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten am Dienstag mit dem Adenauerpreis für Lokaljournalismus ausgezeichnet. Einen Preis bekommen sie auch für das Projekt „Feinstaubradar“.

Stuttgart - Er gilt als der Oscar des Lokaljournalismus, mit dem die Adenauer-Stiftung besondere Leistungen würdigt. Am Dienstagabend werden die Gewinner der jüngsten Auslobung geehrt, ausgewählt aus insgesamt 396 Einsendungen. Verliehen werden die Preise nicht irgendwo in der Republik, sondern in Stuttgart, im Haus der Wirtschaft. Ort des Geschehens ist immer die Stadt, in welche der erste Preis geht. Die Festrede hält der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert in seiner Funktion als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Den ersten Preis erhält in diesem Jahr Rafael Binkowski, Lokalredakteur in Ludwigsburg der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung. Beide Blätter bekommen zudem eine Auszeichnung in der Kategorie Datenjournalismus für das crossmediale Projekt „Feinstaubradar“.

Jury spricht von „überragender Leistung“

Die Jury des Adenauerpreises begründet ihre Entscheidung damit, dass Rafael Binkowski gemeinsam mit Kollegen dem in Stuttgart und Ludwigsburg tobenden Kampf zwischen türkischen und kurdischen Rockerclubs nachgegangen und bei seiner Recherche einen „Bandenkrieg buchstäblich vor der Haustür“ und dessen bundesweite und internationale Verflechtungen aufgedeckt habe.

Dabei habe der Autor sichtbar gemacht, „wie der Kampf um die Vorherrschaft im Drogen- und Türstehermilieu, um Gebietshoheit und Fragen der ‚Ehre’ von innenpolitischen Konflikten in der Türkei motiviert wird“. Der Journalist sei „in eine kriminelle, hochpolitisierte und ideologisch unterfütterte Szene eingedrungen, die für Außenstehende kaum zugänglich ist“. Auch von massive Drohungen habe er sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Dies sei eine „mutige, überragende journalistische Leistung und ein beeindruckendes Beispiel für den Wert der Pressefreiheit“, so die Jury in ihrer Begründung.

„Handfester Nutzwert“ für die Leser

Darüber hinaus sind die Stuttgarter Nachrichten und die Stuttgarter Zeitung beim Adenauerpreis dieses Mal auch in der Kategorie Datenjournalismus erfolgreich, mit dem crossmedialen Projekt „Feinstaubradar“. Zwar sei das Neckartor in Stuttgart wegen der hohen Feinstaubbelastung als eine der dreckigsten Kreuzungen Deutschlands bekannt. Kaum im Blick hingegen sei die Situation in den Stadtteilen und den Orten im Umland Stuttgarts. Mit dem „Feinstaubradar“ habe Redakteur Jan Georg Plavec und das von Stefanie Zenke geführte Ressort Multimedia-Reportage diese „Informationslücke“ geschlossen.

Zugleich liefere man den Lesern „handfesten Nutzwert für den Alltag“. So visualisiert eine Live-Karte die Partikelbelastung, zu jedem Standort gebe es täglich aktuelle, von einer Text-Software verfasste Feinstaubberichte. Dabei habe sich gezeigt: Im Umland ist die Belastung teilweise deutlich höher als am Neckartor.

Mit Erfolg habe die Redaktion die Leser angeregt sich zu beteiligen, etwa indem man eine Videoanleitung zum Selbstbau eines Messgeräts angeboten habe. So werde die Datenlage stetig besser, so die Jury. Inzwischen beteiligten sich an dem Projekt etwa 2000 Nutzer täglich. Auf diese Weise demonstriere die Redaktion Kompetenz beim Thema „Big Data im Lokalen“.

Ein Ergebnis auch von Teamarbeit

Die Preisverleihung erfülle ihn mit Freude und Stolz, sagt der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Joachim Dorfs. Insbesondere weil man Preise sowohl „für eine klassische investigative Reportage“ wie für ein „datenjournalistisches Projekt“ erhalte. „Das zeigt die Spannbreite, die eine gute Redaktion heute abdecken muss“, erklärt Dorfs.

Solche Ergebnisse erreiche eine Redaktion nur durch Teamarbeit. Einzelne Kollegen könnten sich ihren Recherchen nur so intensiv widmen, weil ihnen von anderen „der Rücken freigehalten wird“. Und bei Projekten wie dem Feinstaubradar ständen „noch viel mehr Leute im Hintergrund“. Der Adenauerstiftung dankt Joachim Dorfs dafür, dass diese durch ihren Preis „dem Lokaljournalismus über die Jahre hinweg endlich zu dem Recht und der Anerkennung verhilft, die er schon immer verdient gehabt hat“.

Die Preise werden am Dienstagabend im Beisein von zahlreichen prominenten Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur im Stuttgarter Haus der Wirtschaft vergeben.

Die weiteren zehn Preisträger

Neben der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten werden folgende Zeitungen mit Preisen bedacht.

Zweiter Preis, Pforzheimer Zeitung:
Wie sicher scheint die Welt und wie sicher ist sie wirklich? Dass es eine Diskrepanz zwischen veröffentlichter und realer Kriminalität gibt, zeigen Julia Falk und Simon Walter.

Kategorie Kommunalpolitik, Tölzer Kurier:
In der Kläranlage Benediktbeuern-Bichl geht es alles andere als sauber zu. Das zeigt Christiane Mühlbauer durch ihre Investigativrecherche. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Wächteramt, Main-Post, Redaktion Ochsenfurt:
Eine Frau darf in einem ehemaligen Landschaftsschutzgebiet bauen – weil sie einen Pferdestall plant. Dieser bleibt leer. Thomas Fritz klärt auf: Der Bürgermeister ist ihr Vater.

Recherche, Kieler Nachrichten:
Hat die schleswig-holsteinische Landespolizei in der Rocker-Affäre Akten manipuliert? Bastian Modrow und Christian Longardt recherchieren Hintergründe und belegen Vorwürfe mit Fakten.

Wirtschaft, Nordwest-Zeitung Oldenburg:
Dangast ist das älteste Nordseebad Deutschlands. Die Menschen leben vom Tourismus. Doch ein Projekt spaltet das Dorf. Karsten Krogmann schreibt über Handlungen und Darsteller.

Gesellschaft, Nordkurier Neubrandenburg:
Was unterscheidet West- und Ostdeutschland? Carsten Korfmacher macht sich ein eigenes Bild – und findet den deutschen Osten im Westen und umgekehrt.

Inklusion, Zeitungsverlag Waiblingen:
Was bedeutet Inklusion? Pia Eckstein betrachtet das Thema aus vielen Perspektiven. Sie spricht mit dem schwerstbehinderten Dimitrios, seiner Mutter, Mitschülern und Lehrerinnen.

Gesundheit, Weser-Kurier Bremen:
Ein Mann, 35 Jahre alt, drei Kinder, hat ALS. Die Ärzte gehen davon aus, dass er bald sterben wird. Christian Weth stellt dar, was es bedeutet, wenn die Zeit begrenzt ist.

Volontärsprojekt I, Allgemeine Zeitung Mainz:
Wer kennt es nicht: Junge und alte Menschen sprechen über brennende Fragen der Zeit. Das haben auch Volontäre der Allgemeine Zeitung und ältere Kollegen gemacht – und das Projekt ins Leben gerufen.

Volontärsprojekt II, Badische Zeitung Freiburg:
Zukunftsdebatten zu Digitalisierung sind oft schwarz oder weiß. Aber worin bestehen eigentlich Chancen, worin Risiken? Volontäre der Badische Zeitung klären auf.