Rostbraten für 85 Euro, Wasser für 6,90 Euro – über Preise beim Weindorf wird heftig diskutiert. Die Veranstalter verweisen auf günstige Angebote: „Bei Inge kostet der Sekt drei Euro.“
Die Jägerlaube der Altstadt-Bar Easy Street, die in diesem Jahr ihre Weindorf-Premiere direkt vor dem Rathaus feiert, zieht in diesen Tagen viele Neugierige an – nicht alle wollen essen. Zwei Damen greifen nach der Speisekarte und wollen es mit eigenen Augen sehen. „Wo steht das mit den 85 Euro?“, fragt die eine. „Wenn das stimmt“, sagt die andere, „ist das nicht mehr mein Weindorf.“
Und dann finden die beiden die Preise, über die gerade ganz Stuttgart spricht. Beim Rostbraten (200 Gramm) vom schwäbischen Wagyu-Rind stehen 85 Euro, inklusive einem Beilagensalat und einer weiteren Beilage. Optional ist die Trollinger Soße.
Eine der Damen fotografiert die Speisekarte. „Wir sind die meistfotografierte Laube des Weindorfs“, sagt Gastronom Michael Zumer. Ein beliebtes Fotomotiv sind auch die Tische der Jägerlaube, die über Vertiefungen in der Mitte verfügen, gefüllt mit Eiswürfeln.
Beim Stuttgarter Weindorf diskutierte man schon mal über Champagner
Wird aus dem Stuttgarter Weindorf ein Fest für die Reichen und Gestopften? Vor drei Jahren ist diese Frage schon einmal gestellt worden, als nämlich herauskam, dass ein Wirt Champagner verkauft hat. Die französischen Flaschen hatte er eingepackt, so dass man die Etikette nicht sehen konnte. Die damalige Weindorf-Geschäftsführerin Bärbel Mohrmann griff hart durch, damit sich das nicht wiederholt. Erlaubt sind nämlich bei dem Traditionsfest nur regionale Erzeugnisse.
Gegen das teure Wagyu-Fleisch mit seiner außergewöhnlich feinen Fettmarmorierung können die Veranstalter gar nicht vorgehen, denn es ist regional, weil die wertvollen Rinder in Baden gezüchtet werden. Aber der Verein Pro Stuttgart will auch gar nichts gegen die Luxusangebote unternehmen, wie der Vorsitzende Jens Zimmermann betont. „Uns ist ein breites Angebot an Speisen und Getränken wichtig“, sagt er. Dass erst mit dem Wagyu-Rostbraten die kulinarische Qualität auf dem Weindorf steige, sieht Zimmermann nicht so und freut sich „über die großartige Qualität unserer Wirtinnen und Wirte“.
„Das ist die DNA des Stuttgarter Weindorfes“
Auf die Preise habe Pro Stuttgart keinen Einfluss, betont er, „und wolle dies auch gar nicht“. Wichtig sei aber, dass „nahezu jeder“ ein für sich passendes Angebot findet. „Die DNA des Weindorfes ist die Regionalität der Speisen und Weine und Getränke“, erklärt Zimmermann, „diese Tradition leben wir aus Überzeugung.“
Stuttgarter Weindorf: „Bei Inge kostet das Glas Sekt drei Euro“
Weindorf-Geschäftsführer Dominik Schwab, dessen Arbeitsplatz sich vorübergehend an der Kirchstraße befindet im früheren Büro von Wirtin Sonja Merz, verweist darauf, dass man auch zu günstigen Preisen auf dem Fest fündig wird. „Bei Inge auf der Kirchstraße kostet das Glas Sekt drei Euro“, sagt er. Wer sich umschaue, findet Viertele für fünf Euro. Wenn Schwab nun in den sozialen Medien liest, das Weindorf sei zu einem „Schicki-Micki-Fest“ geworden, dann bittet er darum, so eine Behauptung „nicht an einer Laube festzumachen“. Die Vielfalt sei nach wie vor gegeben. „Es gibt in diesem Jahr im Schnitt keine eklatanten Preissprünge“, versichert er.
Etliche Wirte hätten die Preise im Vergleich zum Vorjahr gar nicht erhöht, sagt der Weindorf-„Bürgermeister“. Alle Laubenbetreiber müssen ihm Wochen vor dem Start ihre Speisekarten vorlegen – das tun sie, ohne Preise anzugeben. „Wir überprüfen, ob es regionale Produkte sind“, sagt Schwab. Auf die Preisgestaltung könne man als Veranstalter keinen Einfluss nehmen, sonst setze man sich „schnell dem Vorwurf der illegale Preisabsprache aus“.
Weindorf-Veranstalter versichern: Standgebühren wurden nicht erhöht
Wichtig ist ihm, die Aussagen einiger Wirten zu korrigieren, die Preiserhöhungen mit erhöhten Standgebühren begründeten. „Das Weindorf geht diesmal 17 statt zwölf Tage“, sagt Schwab, „klar, dass dies in der Endabrechnung einen höheren Betrag macht.“ Doch umgerechnet müssten die Wirte pro Tage 15 Prozent weniger bezahlen als im Vorjahr mit zwölf Tagen.
Beim Wasser liegt die Jägerlaube preismäßig nicht ganz oben. Der halbe Liter kostet hier sechs Euro. Nebenan kostet der halbe Liter Teinacher (andere Marken sind nicht zugelassen, da Teinacher der Sponsor ist) 6,90 Euro.