Helli Schmieg und Dieter Zaiß auf Werbetour fürs Weindorf Foto: Pro Stuttgart

So ganz einig war man sich nie. Ist es nun das schönste oder gar das größte aller Weindörfer? Die Werbung wechselte über die Jahre, nun im Schwabenalter verzichtet man auf solche Großmannssucht. Ein Rückblick auf 40 Jahre.

Stuttgart - Wie das so ist, bei einer gelungenen Sache. Erfinder gibt es reichlich. Drei, um genau zu sein. 1970 beschrieb der Amtsrat Bernhard Forschner seinem Chef im Ernährungsministerium auf sieben Seiten seine Idee „einer Stuttgarter Weinwoche“. Eine Weinstube sollte es geben auf dem Kleinen Schlossplatz, Touristen wollte man anziehen und den Wirten Einnahmen bescheren. Mit dem Verkehrsamt der Stadt sprach Forschner darüber, am Ende landete sein Vorschlag in einer Schublade.

1976 trat Erich Brodbeck auf den Plan. Der damalige Pressesprecher des ADAC stellte Bänke in die Stadt, ernannte den Bad Cannstatter Wengerter Dieter Zaiß zum Schultes und nannte das Ganze Weindorf. „Stuttgarts City wird zur Besenwirtschaft“ titelten die Zeitungen, Besucher beklagten zu viel „Remmidemmi“ und auf dem Schillerplatz gab’s den „Jungfrauen-Stammtisch“. Was sich dahinter verbarg, lässt sich leider in den Chroniken nicht mehr finden.

Rotwein und Weißwein aus dem Plastikfass

Doch nach einem Jahr war Schluss. Der ADAC fand, Wein trinken und Auto fahren passe doch nicht so gut zusammen. Nun folgte der Auftritt von Verkehrsdirektor Peer-Uli Färber. Er wollte die Innenstadt beleben und erteilte dem Stuttgarter Architekturbüro Werner Schick den Auftrag, Lauben zu entwickeln, die den schwäbischen Wengerterhäuschen nachempfunden sein sollen. Es entstanden fünf mal fünf Meter große Holzlauben. Die stellte er samt seinen Plänen für ein Weindorf im Kursaal vor. „Alle waren begeistert“, erinnert sich Wengerter Fritz Currle, „bis er sagte, dass eine Laube 6000 Mark kosten soll. Da sind alle abgehauen.“ Fast alle. Currle blieb, kaufte zwei Lauben. Knapp 100 Lauben bekam Färber los, doch das erste Weindorf war total verregnet. Folien habe man um die Lauben gewickelt, damit es nicht so ziehe, erinnert sich Currle.

Rotwein und Weißwein gab es aus dem Plastikfass, dazu Käsebrot, Schmalzbrot und Peitschenstecken. Im Jahr darauf schickte Färber Wirtin Helli Schmieg und Dieter Zaiß durch die Lande, sie warben als Botschafter fürs Weindorf. Man trank mit den Bürgermeistern und Honoratioren aus dem Kelch, das konnte keiner besser als Zaiss. Der sang dann noch und reimte: „Wir laden Euch ein zum gemütlichen Hocka, ein Hoch auf das Weindorf mit Trollinger trocka.” Das wirkte offenbar, 1981 kamen bereits eine Million Gäste.

Weindorf übersteht auch diverse Ausflüge

Färber selbst war auch nicht untätig. 1984 ließ er das zehnte Weindorf feiern, und zählte die Hochzeit von Herzog Ulrich von Württemberg 1511 und ein Weinfest von König Wilhelm 1841 anlässlich seines Thronjubiläums mit zur Historie. Später vergaß der ausrichtende Verkehrsverein diese Daten schnell wieder. Wobei man sich lange mit Brodbeck ob der Urheberschaft stritt. 2001 feierte der Verkehrsverein die 23. Auflage, woraufhin Brodbeck schimpfte, die Vereinshansel könnten nicht richtig zählen. Die keilten zurück, der „verdienstvolle Herr Brodbeck habe 1976 nur ein Weinfest veranstaltet“. Mittlerweile hat man seinen Frieden gemacht, offiziell gilt 1976 nun als Gründungsdatum des Weindorfs.

Auch diverse Ausflüge in die Schweiz, nach Berlin und Hamburg überstand das Weindorf ebenso unbeschadet wie die Verstärker-Affäre. Bei den Wirten Jörg Bühler und Siegfried Ade gab es Musik aus dem Lautsprecher. Ein Sakrileg, belegt mit 5000 Euro Strafe. Sie wollten das weinselige Fest aufpeppen und modernisieren. Das zeigte sich halsstarrig, blieb leise und ist damit heutzutage wieder ganz modern.