Eine der automatischen Toilettenanlagen. Foto: Jürgen Brand/Jürgen Brand

Die 27 automatischen Toiletten in Stuttgart müssen erneuert werden. Dem Gestaltungsbeirat gefällt das geplante Erscheinungsbild der viel größeren WCs noch nicht so wirklich.

Stuttgart - Das Stuttgarter Stadtbild wird sich an einigen zentralen Stellen in den kommenden Jahren gravierend verändern. Der Grund: die öffentlichen Toiletten in der Stadt müssen erneuert werden. Die heutigen, einer Litfaßsäule ähnelnden und relativ kompakten WC-Anlagen könnten dann durch deutlich größere, markante quaderförmige Toilettenkonstruktionen ersetzt werden.

Die Ausschreibung soll spätestens nach den Sommerferien 2022 erfolgen. Der Gestaltungsbeirat der Landeshauptstadt hat sich jetzt schon mit den ganz menschlichen Bedürfnissen im Stadtraum beschäftigt – und dabei gedanklich Ausflüge bis Zürich und sogar in norwegische Fjorde unternommen.

Die öffentlichen Toilettenanlagen im Stadtgebiet rücken immer dann ins Bewusstsein der Stuttgarterinnen und Stuttgarter, wenn der innere Druck größer wird und es genau in dem Moment deutlich zu wenige oder auch gar keine WCs in erreichbarer Nähe gibt. Innenstadt und Außenbezirke zusammen genommen, gibt es in Stuttgart 72 öffentliche Toiletten. Dazu gehören gebaute Anlagen wie beispielsweise in der Markthalle oder am Ostendplatz, aber auch 27 automatische Toiletten wie die erwähnten Litfaßsäulen-WCs. Betrieben werden sie zum Teil vom Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS), um manche kümmern sich auch von der AWS beauftragte Firmen.

Barrierefreiheit wird gefordert

Es gibt gleich mehrere Gründe, warum diese 27 Automatik-Klos jetzt ausgetauscht werden müssen: Zum einen entsprechen sie nicht mehr der DIN 18040-1. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Barrierefreiheit, wie der AWS-Leiter Markus Töpfer am Dienstagnachmittag in der Sitzung des Gestaltungsbeirats erläuterte. Außerdem laufen die Betreiberverträge aus. Und mit der nicht einheitlichen Gestaltung der Anlagen war die AWS auch nicht mehr zufrieden.

Die neuen Anlagen werden viel größer, als die bisherigen, das steht schon fest. „Die neuen Toiletten sollen mit einer automatischen Sitzreinigung sowie einer Bodenreinigung ausgestattet werden“, erklärt die AWS auf Anfrage. Und die Barrierefreiheit entsprechend der DIN-Vorgaben braucht auch Platz. Das müssen die Verantwortlichen bei der AWS und beim beauftragten Büro Pesch Partner Architekten Stadtplaner GmbH bei der Planung der künftigen WC-Standorte und bei den Vorgaben für die Gestaltung berücksichtigen. Eingeschränkt werden sie in ihrer Kreativität durch die relativ geringe Anzahl von Anbietern auf dem bundesweiten Toilettenmarkt und eben durch deren auf Wirtschaftlichkeit getrimmte Angebote.

Wie sehen die neuen Toiletten aus?

Nach den bisherigen Vorstellungen – die man aber noch nicht in den Medien zeigen will – könnten die neuen Anlagen markante schwarze Quader mit mehr als zehn Quadratmetern Grundfläche sein, versehen mit gelben Applikationen und einem vorspringenden Flachdach, in das Spots zur punktuellen Beleuchtung integriert werden könnten. Damit hätte man die Stuttgarter Farben berücksichtigt, auch Symbole wie das Rössle, der Fernsehturm oder der Stuttgart-Schriftzug mit Dächle können verwendet werden. Eine Dachbegrünung ist ebenso denkbar wie die Installation einer Photovoltaik-Anlage. Die Außenhülle des Toiletten-Quaders könnte aus Sicherheitsglas bestehen.

„Sind wir da nicht zu sehr quadratisch praktisch unterwegs?“, fragte Professor Johannes Kister vom Gestaltungsbeirat nach der Präsentation. Und seine Kollegin Dörte Gatermann dachte sich gleich weiter nach Norwegen, wo öffentliche Toiletten für Touristen in einsamen Fjorden vor einigen Jahren ausgeschrieben wurden und wo jetzt zum Teil aufsehenerregende Designobjekte in spektakulären Landschaften stehen, in denen man auch aufs Klo gehen kann. Ein solches Kunstwerk steht beispielsweise auf der Ureddplassen an der Helgelandskysten – und gilt als schönste Toilette der Welt.

Auch der Stadt Zürich – wo der Vorsitzende des Gestaltungsbeirats, Patrick Gmür, lebt und arbeitet – wird ein besonders inniges Verhältnis zu ihren öffentlichen Toiletten nachgesagt. Weswegen die Anlagen auch Teil der Corporate Identity der Stadt sind, liebevoll „Züri-WC“ heißen und laut Neuer Zürcher Zeitung jährlich von 3,5 Millionen Besucherinnen und Besuchern erleichternd genutzt werden.

Vorbild Norwegen

Auch Philip Schmal, dem Geschäftsführer des Büros Pesch und Partner, und seinem Team ging es beim Nachdenken über das Thema nicht anders: „Die Mittagsgespräche gingen nur noch über norwegische Klohäuschen und gläserne Toiletten“, sagte er. Und auch Zürich sei ein wichtiges Beispiel gewesen. Allerdings sei das Angebot auf dem Markt nicht allzu groß. Und etwas Rundes, wie es die Gestaltungsbeiräte bevorzugen würden, gebe es nicht mehr.

Das Gestaltungsgremium, das beratende Funktion hat, empfahl der AWS, die Kubusform und vor allem auch das schwarze Glas noch einmal zu überdenken. Auch die angedachte gestalterische Unterscheidung zwischen Innenstadt (schwarz, Glas) und Außenbezirken (braun, Holz) stieß nicht auf Gegenliebe. Stattdessen gaben sie den Rat, die Ausschreibung beim Design zu öffnen und die Anbieter explizit auf diese gestalterische Offenheit hinzuweisen.

Nach Angaben der Stadt soll die Ausschreibung spätestens nach den Sommerferien 2022 erfolgen. Ab 2023 sollen die Anlagen dann nach und nach ausgetauscht werden. Bis Ende 2025 muss die Erneuerung wegen der dann auslaufenden Verträge abgeschlossen sein. Einige der neuen WCs sollen eine „Toilette für alle“ sein, also eine Anlage, die Menschen mit Behinderung beim Toilettengang unterstützt. Entsprechend sollen sie mit einer höhenverstellbaren Pflegeliege und einem Kran ausgestattet sein, so die Stadt. Über die anfallenden Kosten kann die AWS im aktuellen Planungsstadium noch keine Angaben machen.