Einst für die Trinkwasserversorgung wichtig gewesen: der Bärensee Foto: Leif Piechowski

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) ruft an diesem Donnerstag den Streit zwischen der Landeskartellbehörde und dem Versorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) um den Stuttgarter Trinkwasserpreis auf. Die Streitparteien ringen seit zwei Jahren um eine Einigung.

Stuttgart - Für die rund 590 000 Stuttgarter Kunden, die bei der EnBW über 104 108 Zähler abgerechnet werden, geht es um eine Rückzahlung der laut Kartellbehörde bereits seit 2007 missbräuchlich überhöhten Preise. Für einen Vier-Personen-Haushalt könnten bei einem Jahresverbrauch von 150 Kubikmetern Trinkwasser bis zu 900 Euro fließen.

Für die EnBW wäre das ein Schlag ins Kontor. Sie müsste im Extremfall mit Zinsen rund 160 Millionen Euro ausschütten. Das allerdings könnte der Wert der gesamten Stuttgarter Wasserversorgung sein, um deren Rückkauf die Landeshauptstadt verhandelt.

Hellhörig wurde die im Umweltministerium angesiedelte Kartellbehörde, als der Monopolversorger EnBW am 1. August 2012 für Stuttgart einen Preisaufschlag von 9,2 Prozent auf 2,60 Euro pro Kubikmeter durchsetze. Der Gemeinderat konnte den Aufschlag nur laut murrend zur Kenntnis nehmen, aber nicht ablehnen. Zuletzt hatte die EnBW den Preis am 1. Mai 2007 erhöht.

Die Kartellbehörde wirft der EnBW vor, ihre marktbeherrschende Stellung auszunutzen und hat nach langen Verhandlungen am 4. September 2014 eine Senkung der Wasserpreise zwischen 25 und 33,5 Prozent angeordnet, und zwar rückwirkend zum 1. August 2007. In jenem Jahr flossen 38 955 000 Kubikmeter in die Stuttgarter Haushalte und Firmen. 2012 waren es 39 273 000, im Jahr darauf wurden sogar 41 690 000 Kubikmeter geliefert. Die Zahlen könnten vor dem OLG wichtig werden, denn bei der Preisgestaltung ist der „Metermengenwert“ eine zulässige Vergleichsgröße, um Missbrauch festzustellen. Je höher die Abgabemenge pro Meter Leitungsnetz, desto in der Tendenz kostengünstiger kann die Versorgung sein.

Für den Zeitraum von September bis Ende 2014 ist laut Kartellbehörde per Gesetz gegenüber dem betroffenen Unternehmen ein Sofortvollzug angeordnet. Die EnBW müsste also unmittelbar zurückzahlen. Sie hat gegen die Verfügung insgesamt vor dem OLG Beschwerde eingelegt und Aufschub gegen die sofortige Preisanpassung beantragt. Ihr Argument: Die Verfügung entspreche nicht den Vorgaben, die bei einer Kostenkontrolle nach dem Vergleichsmarktkonzept zu Grunde zu legen seien.

Das Konzept bedeutet, dass die EnBW-Preise mit denen anderer Versorger vergleichen wurden. Zulässig ist auch, die Faktoren, mit denen der Preis gebildet wird, zu untersuchen. Auch das hat die Kartellbehörde getan. Dazu musste die EnBW ihre Kalkulation offen legen.

Für das OLG ist der Stuttgarter Streit nicht der erste Wasserpreis-Streit. Für Kunden in Calw hatte die Kartellbehörde bereits im Februar 2011 einen Preismissbrauch festgestellt. Das Verfahren dazu beschäftigt in der zweiten Runde voraussichtlich bis Sommer den Bundesgerichtshof (BGH). Möglich, dass nun alle die BGH-Entscheidung abwarten wollen. Im Fall Calw geht es um rund zwei Millionen Euro.