Die Feuerwehr braucht Wasser – aber die Haushalte sollen die Hydranten dafür nicht zahlen müssen, hat die Wasserkartellbehörde befunden. Foto: Michele Danze

Am 4. September hat die Kartellbehörde dem Wasserversorger EnBW auferlegt, rund 140 Millionen Euro an die Kunden in Stuttgart zurück zu geben. Inzwischen liegt schon eine Beschwerde dagegen bei Gericht.

Am 4. September hat die Kartellbehörde dem Wasserversorger EnBW auferlegt, rund 140 Millionen Euro an die Kunden in Stuttgart zurück zu geben. Inzwischen liegt schon eine Beschwerde dagegen bei Gericht.

Stuttgart - Beim Oberlandesgericht Stuttgart kann die Energie Baden-Württemberg (EnBW) versuchen, die von der Wasserkartellbehörde verfügte Preissenkung noch abzuwenden. Und dafür hat der Stuttgarter Wasserversorger jetzt auch schon den Anfang gemacht. Nach Informationen unserer Zeitung legte er vergangene Woche Beschwerde ein. Bis so ein Rechtsstreit entschieden ist, können aber spielend zwei Jahre vergehen – falls sich Kartellbehörde und EnBW nicht noch einigen.

Mit wachsendem Interesse beobachtet auch die Stadtverwaltung die Entwicklung. Knapp zwei Wochen nach der Verfügung der Wasserkartellbehörde beim Landesministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz wird auch immer deutlicher, dass die Stadt stark mitbetroffen wäre.

Das hängt mit der Konzessionsabgabe zusammen, die die Stadt kassierte, damit die EnBW das Wassernetz betreiben durfte. Pro Jahr fließen rund 13,3 Millionen Euro in die Stadtkasse. Es handelt sich um 18 Prozent vom Umsatz. Müsste die EnBW tatsächlich die Preise rückwirkend bis 2007 um rund 30 Prozent senken, würden der Stadt knapp 28 Millionen Euro verloren gehen. Weil die Kartellbehörde aber auch die Berechnungsgrundlage in Zweifel zieht, drohen zusätzliche Verluste in der Dimension von etwa 14 Millionen Euro. Grund: Die Kartellbehörde interpretiert die Konzessionsabgaben-Anordnung von 1941 so, dass die Einwohnerzahlen von 1939 zugrunde gelegt werden müssen. Damals hatte Stuttgart rund 400 000 Einwohner, nicht 600 000.

Ziel sei es damals gewesen, die Konzessionsabgaben zu begrenzen, damit die Versorgung der Bürger nicht weiter mit anderen Kosten belastet werde, erklärt das Ministerium. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sieht darin, so seine erste Reaktion, eine „Absurdität“. Er hat auch schwer an einer anderen Vorgabe der Kartellbehörde zu knabbern: Sie hat den Aufwand für Löschwasser der Feuerwehr aus der Kalkulation der EnBW herausgenommen. Für Föll gehört er aber hinein. Die Menge des Löschwassers werde ja auch nicht erfasst.

Tatsächlich geht es nach Kenntnis unserer Zeitung aber weniger um das Löschwasser selbst als um die Unterhaltung der Technik, die die Löscheinsätze ermöglicht: um den Mehraufwand für stärkere Leitungen und um Hydranten, an denen die Feuerwehr Wasser zapfen kann. Die EnBW beziffere den jährlichen Extraaufwand dafür mit zwei bis drei Millionen Euro, erfuhr unsere Zeitung, die Kartellbehörde veranschlage etwa das Doppelte. Somit will die Kartellbehörde also binnen sieben Jahren rund 35 Millionen aus der EnBW-Kalkulation herausnehmen. Zusammen mit der Korrektur bei der Konzessionsabgabe beanstandet die Kartellbehörde somit 70 bis 80 Millionen Euro allein bei diesen beiden Positionen.

Die Stadt könnte am Ende mit Rückforderungen der EnBW in der Größenordnung von 60 Millionen Euro konfrontiert werden, wenn die Kartellbehörde Recht behält: rund 42 Millionen Euro wegen der Konzessionsabgabe und 17 oder 18 Millionen Euro wegen der Löschwasser-Problematik. Letzteres ergibt sich, wenn man die von der EnBW veranschlagten zwei bis drei Millionen Euro für Löschtechnik pro Jahr mit sieben multipliziert. Die Feuerwehr ist in der Trägerschaft der Stadt. Künftig müssten für die Löschtechnik wohl auch Stuttgarts Haushalte zahlen – dann aber an die Stadtkasse.

Zankäpfel gibt es zwischen Stadt und EnBW auf den Feldern der Energienetze auch so schon genug. Immerhin ist man bei den Themen Löschwasser und Berechnung der Konzessionsabgabe noch auf gleicher Wellenlänge. Mit der Verfügung der Kartellbehörde müsse man „differenziert umgehen“, meint Föll. Die Stadt halte den EnBW-Wasserpreis nach wie vor für überhöht, aber das Urteil der Kartellbehörde, die Preise müssten im Schnitt um 30 Prozent sinken, für überzeichnet. Föll: „Die Stadt wird anlässlich des Rechtsstreits zwischen EnBW und Kartellbehörde vielleicht auch noch eine eigene Stellungnahme abgeben.“

Möglicherweise wird man auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs verweisen, wonach aktualisierte Einwohnerzahlen herangezogen werden können. Und beim Löschwasser gibt nach Fölls Meinung das brandneue Wassergesetz des Landes die Handhabe, die Kosten in die Wasserpreiskalkulation einzubeziehen. Die Kartellbehörde kontert aber schon: Dazu bedürfe es auch einer Regelung im Konzessionsvertrag. Und generell dürften Wasserversorger den Kunden nur Kosten anrechnen, die den Kunden auch zuzurechnen seien.