Rettungsteams versuchen den Verletzten zu bergen Foto: Bayerisches Rotes Kreuz

Hoffen, bangen – und vor allem warten. In rund 1000 Meter Tiefe liegt in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden schwer verletzt ein Höhlenforscher aus Baden-Württemberg. Rettungsteams haben ihn erreicht. Aber er ist nicht transportfähig.

Hoffen, bangen – und vor allem warten. In rund 1000 Meter Tiefe liegt in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden schwer verletzt ein Höhlenforscher aus Baden-Württemberg. Rettungsteams haben ihn erreicht. Aber er ist nicht transportfähig.

Marktschellenberg - Als Matthias Leyk am Sonntag gegen 15 Uhr wegen eines Unglücks in der Riesending-Höhle angerufen wurde, dachte er sofort an seinen Kollegen Johann W. „Die Polizisten waren auf der Suche nach einem Experten“, sagt Leyk. „Und ich kenne niemanden, der sich in der Riesending-Höhle so gut auskennt wie er“, so der Einsatzleiter der Höhlenrettung Baden-Württemberg. „Erst Stunden später habe ich begriffen, dass es mein Kollege selbst ist, der in der Höhle verunglückt ist.“ Leyk war schon an die 40-mal mit Johann W. in Höhlen unterwegs – und bezeichnet ihn als einen absoluten Profi. „Trotzdem bleibt bei der Arbeit in Höhlen immer ein Restrisiko.“

Am frühen Sonntagmorgen gegen 1.30 Uhr überraschte ein Steinschlag Johann W. und seine beiden Kollegen. Ein Stein traf den 52-Jährigen am Kopf. Auch der Helm konnte den Schlag nicht abfangen. Der Mann erlitt Verletzungen an Kopf und Oberkörper – und konnte die Höhle nicht mehr aus eigener Kraft verlassen. Einer der Begleiter war daraufhin zurückgeklettert, um Alarm zu schlagen, der andere war bei dem Verletzten geblieben. Inzwischen sind 200 Helfer angereist. Allein etwa 80 spezialisierte Höhlenretter der Bergwacht aus Rosenheim, Garmisch-Partenkirchen, Murnau, Freilassing sowie ihre Kollegen aus Salzburg sind gekommen.

Wie ein Sprecher der Bergwacht Chiemgau am Mittag sagte, sind zwölf Helfer in die Riesending-Höhle eingestiegen, um den Mann zu retten. Drei Rettungskräfte befinden sich nach Polizeiangaben bei ihm. Weitere Helfer richteten auf verschiedenen Ebenen Lager- und Biwakstationen ein. Inzwischen ist bis zu 400 Meter Tiefe auch eine telefonische Kommunikation möglich.

Die Bergung könnte Tage dauern

Johann W. gilt als einer der Entdecker der Höhle bei Marktschellenberg in den Berchtesgadener Alpen. Nach Informationen unserer Zeitung arbeitet er hauptberuflich beim Karlsruher Institut für Technologie – und lebt im Kreis Karlsruhe. Nebenberuflich ist er Forscher bei der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung in Bad Cannstatt. 1995 entdeckten die Stuttgarter Experten die Höhle. Lange Zeit lag sie brach. Erst 2002 gelang den Stuttgartern der Durchbruch: „Was sie fanden, war der Wahnsinn“, sagt Leyk. Sie entdeckten ein weit verzweigtes System an Gängen im Erdreich. Bis 2003 sind sie 400 Meter in die Tiefe vorgedrungen. Bis heute haben die Forscher Gänge gefunden, die 1148 Meter in die Tiefe reichen – mit über 19,2 Kilometern Länge gilt sie als die tiefste und längste Höhle Deutschlands. Am Pfingstwochenende wollten Johann W. und seine Kollegen weitere Erkundungen vornehmen. „Die Höhle ist sein größtes Hobby“, sagt Leyk.

„Sie kannten die Höhle“, sagt auch Bärbel Vogel, Vorsitzende des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Die drei zählten zu einer Stammgruppe, die immer wieder in die Riesending-Schachthöhle einstieg, um sie zu erforschen. „Die Leute, die dort forschen, sind alle nicht leichtsinnig.“

Das trockene Wetter an Pfingsten schien optimal für den Abstieg in das verzweigte Höhlensystem. Denn auch unter der Erde kann starker Regen gefährlich sein – wenn er in den Schächten Wassereinbrüche auslöst.

„Wir versuchen, einen Arzt zu ihm hinunterzubringen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Bergwacht Bayern, Stefan Schneider. „Es ist extrem schwierig. Es sind nur sehr wenige Spezialisten, die überhaupt in diese Tiefen vordringen können. Die Höhle ist sehr, sehr schwierig.“ Gleich am Einstieg muss über 300 Meter senkrecht in die Tiefe abgeseilt werden, ähnlich geht es bis in 1000 Meter Tiefe weiter. Danach müssen die Forscher aus eigener Kraft am Seil wieder hochsteigen. „Es ist eine extreme körperliche und psychische Herausforderung.“ Der Arzt habe unterwegs erschöpft Pause machen müssen. „Es gibt überhaupt nur ganz wenig Ärzte, die in eine solche Höhle kommen.“

Wie lange der Verletzte noch ausharren muss, ist offen. „Der Mann liegt Gott sei Dank eben, trocken und windstill“, sagt Schneider. Es drohe aber unter anderem Unterkühlung. Unten im Berg hat es nur zwischen vier und acht Grad. Und alle dort unten, auch die Retter, sind ständig von neuem Steinschlag bedroht. „Sie sind einer erheblichen Gefahr ausgesetzt.“