Der neue Africom-Kommandeur Thomas Waldhauser: „Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir diese Mission verändern müssen.“ Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Stuttgarter US-Afrika-Kommando (Africom) könnte die Jagd auf den Kriegsherrn Joseph Kony bald zurückfahren. Seine Mörderbande ist zwar geschwächt, mordet und entführt aber weiter.

Stuttgart - Das US-Afrika-Kommando (Africom) überprüft seine fünf Jahre dauernde Jagd auf die grausame Widerstandsarmee des Herrn (Lord’s Resistance Army, LRA) unter Führung des berüchtigten Kriegsherrn Joseph Kony. Die Zahl der Kämpfer, die im unwegsamen Dschungel mehrerer Länder im Herzen Afrikas operieren, sei auf ein fast „unbedeutendes Niveau“ zusammengeschrumpft, sagte der neue Africom-Kommandeur Thomas Waldhauser.

„Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir diese Mission verändern müssen“, so der US-General, der seit Juli an der Spitze von Africom steht. Von seinem Stuttgarter Hauptquartier aus führt der Marineinfanterist alle US-Militäroperationen in Afrika.

In der Tat steht die 1987 gegründete Mörderbande dank des Eingreifens des US-Militärs seit Ende 2011 heute extrem geschwächt da. Experten schätzen, dass die LRA noch über 100 bis 200 Kämpfer verfügt. Viele Anführer haben sich ergeben. Vor Jahren noch waren es Tausende Kämpfer, die sogar die Regierung Ugandas bedrohten. Doch noch immer durchstreift die Truppe des gebürtigen Uganders Kony den endlosen Dschungel im Osten des Kongo, im Sudan und im Osten der Zentralafrikanischen Republik. Das Markenzeichen der Bande: extreme Grausamkeit. LRA-Kämpfer haben Tausenden Opfern Ohren, Lippen, Nasen abgeschnitten, Arme und Beine abgehackt. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gehen allein von 2008 bis 2012 2600 Morde und 4000 Entführungen auf das Konto der Gruppe.

Jedes Jahr 94 Millionen Euro

Doch die US-Militärmission gegen Konys Kämpfer verschlingt jedes Jahr die stolze Summe von umgerechnet 94 Millionen Euro. 2011 hatte US-Präsident Barack Obama 100 US-Spezialkräfte nach Zentralafrika beordert. Ihr Auftrag: den Einheiten der Afrikanischen Union aus Uganda, der Zentralafrikanischen Republik, des Kongo und des Südsudan bei der Jagd nach Kony und der LRA zu helfen. Unsere Zeitung berichtete im Frühjahr 2014 in einer Reportage als erstes deutsches Medium aus dem Herzen Afrikas darüber, wie das US-Militär die afrikanischen Soldaten berät und ausbildet, Radiospots erstellen hilft, um Kämpfer zum Aussteigen zu bewegen, mit Luftransport und Aufklärung unterstützt.

Doch unter anderem Waldhausers Amtsvorgänger, US-Heeresgeneral David Rodriguez, hielt die Mission gegen Joseph Kony für ein viel zu teures Unterfangen, das nur Mittel bindet, die im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus in Nordafrika, gegen Boko Haram in Nigeria oder Al-Schabaab in Somalia viel drängender gebraucht werden. Nachfolger Waldhauser äußerte sich jetzt noch nicht dazu, wie die US-Mission gegen Kony künftig aussehen könnte, ob sie gar eingestellt wird.

Letzteres halten Experten für verfrüht. Kony ist noch immer frei. Er wird im sudanesischen Kafia Kingi an der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik vermutet. Und die Bande treibt weiter ihr Unwesen. Laut Onlinedatenbank LRA Crisis Tracker sind 2016 schon jetzt mit 711 Menschen mehr Zivilisten entführt worden als im Vorjahr. Obendrein will Uganda seine Soldaten aus der Operation gegen die LRA abziehen. Das US-Militär stützt sich maßgeblich auf die Ugander. Das ruft die Mahner auf den Plan. Es wäre „eine Schande“, wenn die US-Regierung die Mission gegen die LRA beenden würde. Die Chance, einen 30 Jahre alten Konflikt zu beenden, sei nah. „Sie könnte aber leicht wieder wegrutschen.“ schreiben die Afrika-Experten Ledio Cakaj und Ronald Atkinson in einem Blog.