Unfallort und Tatort zugleich: Am Gebhard-Müller-Platz in der Innenstadt hat die Polizei zwei Fälle zu bearbeiten. Foto: SDMG

Busfahrer müssen nicht nur gegen volle Straßen und Zeitdruck kämpfen – häufig haben sie es auch mit Übergriffen zu tun. In der Stuttgarter Innenstadt gab es jetzt einen ungewöhnlichen Doppel-Fall.

Stuttgart - Eigentlich sollte die Buslinie 44 am frühen Sonntagabend den Westbahnhof erreichen – doch Busfahrer und Fahrgäste sollten dort nicht ankommen. Oder zumindest nicht so schnell wie geplant. Denn gleich zwei Zwischenfälle stoppten die Fahrt der Busnummer 44-01. Und die Polizei hatte einen Fall im Doppelpack zu bearbeiten.

Der 40-jährige Busfahrer ist um 18.03 Uhr vom Hauptbahnhof in Richtung Wagenburgtunnel unterwegs, als seine Fahrt jäh gestoppt wird. Vor ihm zieht ein 57 Jahre alter Mercedes-Fahrer nach rechts vor den Bus, den er offenbar übersehen hat – und der Busfahrer muss eine Vollbremsung hinlegen. Er kann die leichte Kollision aber nicht mehr verhindern. „Dabei sind offenbar vier Fahrgäste gestürzt und haben leichte Verletzungen erlitten“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann. Für die Polizei zunächst ein Routinefall.

Und plötzlich tritt einer aus dem Gebüsch

Doch dann wird es dramatisch. Die Unfallbeteiligten sind noch mit dem Schreck der Kollision beschäftigt, als aus dem nahe gelegenen Gebüsch unterm Ferdinand-Leitner-Steg am Schlossgarten plötzlich ein Mann hervortritt. Es ist 18.05 Uhr, als sich der 40-jährige Busfahrer plötzlich einem aggressiven Unbekannten mit Lidl-Tasche und blauem Sweatshirt gegenüber steht. „Er schrie den Busfahrer in einer unverständlichen Sprache an“, sagt Polizeisprecher Widmann, „außerdem fuchtelte er mit einem Tuch herum.“

Der Mann wurde von der Polizei dingfest gemacht, durchsucht und anschließend mit aufs Revier genommen. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich um einen offenbar psychisch kranken 36-Jährigen. Dass die Sache mit dem Tuch gar nicht so harmlos war, stellte sich erst später heraus: In den Stoff war ein Messer eingewickelt. „Wie der Vorfall strafrechtlich zu bewerten ist, wird noch ermittelt“, sagt Widmann.

„Das war höchst ungewöhnlich“, sagt Birte Schaper, Sprecherin der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), „wir sind erleichtert, dass Fahrer und Fahrgäste die verwirrende und belastende Situation nach dem Verkehrsunfall offenbar gut überstanden haben.“

Die Zwischenfälle häufen sich

Die Chauffeure im Linienbusverkehr in Stuttgart und der Region haben immer wieder mit Straftaten zu tun – und dabei geht es nicht nur um Schwarzfahrer. Beispiele aus diesem Jahr: Mitte April musste ein Busfahrer der Linie 42 am Stuttgarter Hauptbahnhof einen Fahrgast zurechtweisen, der im Bus zwei Frauen sexuell belästigt hatte. Der psychisch kranke 28-Jährige lieferte sich eine Rangelei mit einem anderen Fahrgast und Polizeibeamten. Ein anderer Busfahrer wurde in der Innenstadt von zwei 42 und 50 Jahre alten Betrügern hereingelegt, die behaupteten, die Besitzer eines liegen gelassenen Mobiltelefons zu sein. Die Männer hatten beobachtet, wie die Besitzerin ihr Handy im Bus vergessen hatte – und dieses Wissen ausgenutzt.

In Großbottwar (Kreis Ludwigsburg) wurde vor einigen Wochen ein 46-jähriger Linienbus-Fahrer von einem Mann mit Messer überfallen. Der Täter war an der Haltestelle eingestiegen und hatte dann die Waffe gezückt. Der Mann mit Sturmhaube flüchtete mit den Einnahmen.

In Göppingen griff ein alkoholisierter 40-Jähriger einen Busfahrer mit Pfefferspray an. Der hatte einem Kollegen helfen wollen, der dem Betrunkenen die Mitfahrt verweigert hatte. Aber auch Diebe schlagen zu: In Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) wurde am Bahnhofsplatz aus einem abgestellten Bus die Geldmappe gestohlen.

Vor Jahren hatte der Betriebsrat der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) angesichts einer Reihe von Übergriffen verbesserte Sicherheitsmaßnahmen gefordert. „Anzeigen bei der Polizei sind ja nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Thomas Asmus. Immerhin seien seither die Busse mit Überwachungskameras ausgestattet worden. „Das hatte einen positiven Effekt und manche Täter abgeschreckt“, sagt er.

Vorne einsteigen – das birgt Konfliktpotenzial

Derzeit entzündeten sich die Konflikte wegen der Regelung des Vordereinstiegs. Wenn Busfahrer Fahrgäste, die hinten einsteigen, nach vorne bitten, „reagieren viele ungehalten“, so Asmus. Dabei handele es sich aber um eine Minderheit von zehn Prozent, „die wohl auch ohne Einstiegs-Frage Probleme machen“. Noch schlimmer treffe es die Kontrolleure. Die Zunahme der Aggression sei ein gesellschaftliches Problem.

Freilich beklagen aber auch Fahrgäste, dass sie Kontrolleure und Fahrer „aggressiv, provokant, arrogant und respektlos“ erlebten. Debatten gibt es meist, wenn trotz Einstiegskontrolle beim Fahrer ein Kontrolltrupp während der Fahrt den Polygo-Ausweis nochmals begutachten will. „Jede Nachfrage“, so ein Stamm-Fahrgast, „wird als Angriff verbal abgewehrt.“