Die Stuttgarter Kommissare Lannert (li. Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) stochern im Müll. Foto: SWR-Pressestelle/Fotoredaktion

Trotz nicht ganz schlüssiger Handlung: Der neue „Tatort – Preis des Leben“ aus Stuttgart ist packend – und zeigt ganz beiläufig, warum das Bahnprojekt Stuttgart 21 wichtig ist.

Stuttgart - Es kommt nicht allzu oft vor im deutschen Fernsehen, dass die Zuschauer klüger als die handelnden Figuren sind. Alfred Hitchcock hat dieses Prinzip Suspense genannt: Der Seher ahnt zwar, was passieren wird; aber ihm stockt der Atem, weil er nicht weiß, wann. Offenbar haben Regisseur Roland Suso Richter und Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt den Altmeister studiert. Schon deshalb ist „Preis des Lebens“, der neue Stuttgarter SWR-„Tatort“, sehenswert.

Jörg Albrecht (David Bredin, kurzer, starker Auftritt) saß wegen Missbrauchs und Mordes 15 Jahre im Knast. Trotz guter Führung musste er die Strafe bis zum letzten Tag absitzen, weil er nicht den Namen des Mannes preisgeben wollte, der ihn bei der Tat gefilmt hatte. Der Zuschauer braucht keine fünf Minuten, bis ihm klar wird, dass die Frau, die Albrecht am Gefängnistor in Stammheim abholt, nicht die echte Bewährungshelferin ist: Simone Mendt (Michaela Caspar) ist die Mutter des ermordeten Kindes, an dem sich Albrecht tagelang vergangen hatte.

Sie und ihr Mann (Robert Hunger-Bühler), ein Arzt, haben seit 15 Jahren nur noch ein Ziel vor Augen: Sie wollen den Namen des Mannes hinter der Kamera erfahren. Als Albrecht im heimischen, hübsch mit Folie ausgelegten Folterkeller damit herausrückt, hat er seine Schuldigkeit getan.

Die nervenaufreibende Jagd geht an die Substanz

Damit endet das Leben eines Scheusals (auf seinen letzten Metern empfindet man noch so etwas wie Mitleid mit dem Mann), und es beginnt ein packender Wettlauf mit der Zeit. Werden die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) schnell genug den Hintergrund des Mordes aufklären und so einen zweiten Fall von Selbstjustiz verhindern?

Die nervenaufreibende Jagd geht an die Substanz – nicht nur beim Zuschauer, auch das Verhältnis zwischen Lannert und Bootz, die sich in ihrem inzwischen 17. Fall wunderbar ergänzen, wird auf eine harte Probe gestellt. Vor allem als Bootz seinem Kollegen gesteht, dass er von den Eheleuten Mendt erpresst wird: Sie haben Bootz’ Tochter entführt, um so an den zweiten Täter heranzukommen.

Gerade diese Kindesentführung wirkt arg konstruiert: Wie hätten die beiden zwar klug, aber auch verzweifelt agierenden Eltern so schnell an Bootz’ Tochter herankommen sollen? Aber Dramatik und gutes Schauspiel vermögen viel, auch eine solche kleine Schwäche zu übertünchen.

Falls übrigens jemand immer noch am Sinn des Bahnprojekts Stuttgart 21 zweifelt: Auch in diesem „Tatort“ aus Stuttgart bieten die Baustelle und das angrenzende Bankenviertel wieder eine hübsche Kulisse. Das sollte uns was wert sein.

„Tatort – Preis des Lebens“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD