Die Drogensubstitution im Stuttgarter Westen schließt Mitte Dezember. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Bis Ende des Jahres fällt in Stuttgart rund ein Viertel der Plätze zur Heroinsubstitution weg. Noch ist kein Ersatz gefunden. Probleme wie in Stuttgart gibt es aber auch in anderen Städten des Landes. Und die werden sich in den nächsten Jahren noch erheblich verschärfen.

Stuttgart - Die Zukunft der Heroinsubstitutionim Land macht der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) „gewaltige Sorgen“. Das sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzender, Johannes Fechner, angesichts des Problems, dass in Stuttgart Mitte Dezember rund 250 Substitutionsplätze wegfallen werden. Das ist ein Viertel aller Plätze zur Vergabe von Heroinersatzstoffen in der Landeshauptstadt. Wie berichtet, verlängert der Vermieter einer Suchthilfepraxis im Westen den Mietvertrag nicht.

Dieses „Raumproblem“ habe man derzeit auch in Sindelfingen, Göppingen und Ulm, so Fechner. Der Mediziner sieht die Kommunen für die Beschaffung von Räumen in der Pflicht. „Dafür ist die KV nicht zuständig.“ Deren Aufgabe sei, für die Drogensubstitution „junge Ärzte zu finden“. Das erweist sich als zunehmend schwierig. Derzeit gebe es in Baden-Württemberg rund 9500 Substitutionspatienten, sie werden von 220 Suchtmedizinern betreut. „Das waren früher mehr“, so der stellvertretende KV-Vorstandsvorsitzender. „Seit ein, zwei Jahren verschärft sich die Lage.“

Viele haben Arbeit und Familie

Was auf dem Spiel steht, macht Johannes Fechner mit einer anderen Zahl deutlich. Von den 9500 Patienten seien „etwa 40 Prozent gut eingestellt, sie haben oft Familie und gehen zur Arbeit“. Wenn dieser Personenkreis ihren Ersatzstoff – meist Methadon – nicht mehr bekäme, würden ganze Familien ins Unglück stürzen. Fechner: „Keiner will, dass die Leute rückfällig und wieder straffällig werden.“ Deshalb betrachtet er die Drogensubstitution und die Beschaffung von Räumen auch als eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.

Einen Grund für die sinkende Zahl von Suchtmedizinern sieht Fechner in der Tatsache, dass „die Generation der Alt-68er in den Ruhestand geht.“ Deren Einstellung war offenbar günstig für die Suchthilfe. Die Drogensubstitution sei kein einfaches Gebiet, die Patienten oft schwierig. Diese nähmen neben dem Ersatzstoff immer wieder doch auch Heroin oder andere harte Drogen und Tabletten, mit entsprechenden Gefahren für Leib und Leben. Dieser „Beigebrauch“ muss vom Arzt kontrolliert werden, der Betreffende gegebenenfalls aus dem Substitutionsprogramm genommen werden. „Als Arzt steht man da immer mit einem halben Bein im Gefängnis“, erklärt der stellvertretende KV-Vorstandsvorsitzende. „Die Alt-68er haben dieses Risiko auf sich genommen.“ Was die Attraktivität für nachkommende Mediziner angeht, findet Johannes Fechner, könnte die Substitution unter anderem wegen der beträchtlichen Sicherheitsinvestitionen in den Praxen etwas besser honoriert werden als bisher.

Oft springen die Psychiatrien ein

Noch in dieser Woche soll es wegen der in Stuttgart wegfallenden Plätze ein Gespräch mit Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) geben. Auch mit Krankenhausbürgermeister und Kämmerer Michael Föll (CDU), der für die städtischen Immobilien zuständig ist, hat man einen Termin. Und Werner Wölfle sagt, er habe „alle substituierenden Ärzte und die Suchthilfe zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen, um nach kurzfristigen Lösungen zu suchen“. Um eine langfristige Verbesserung bei der Drogensubstitution zu erreichen, erwägt der Sozialbürgermeister, künftig auch „das städtische Klinikum in die Versorgung einzubeziehen“. Das wäre nicht ungewöhnlich. Johannes Fechner sagt, in Bretten und Bruchsal, wo man zu wenige Suchtmediziner hatte, seien die dortigen „psychiatrischen Institutsambulanzen in die Versorgung eingestiegen“.