Die Brüder Patrick (links) und Daniel Dittus haben das Beschwerdeportal Reklamieren 24 gegründet. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Start-up Reklamieren24, ein von zwei Brüdern aus Stuttgart entwickeltes Internetportal, will für frustrierte Kunden zum Sprachrohr und Druckmittel werden. Es bietet keinen rechtlichen Beistand, aber einen angeblich wirkungsvollen Pranger.

Stuttgart - Das Problem kennt jeder. Und es ist im Online-Zeitalter schlimmer geworden: Wenn eine gelieferte Ware defekt ist, wenn eine Bestellung nicht angekommen ist, wenn ein gebuchtes Hotel nicht den Versprechungen entsprach, dann landet man im Falle einer Reklamation in einem undurchdringlichen Dschungel aus überlasteten Hotlines, toten E-Mail-Briefkästen oder nichtssagenden Antworten aus dem Textgenerator.

Die Brüder Daniel (29) und Patrick Dittus (24) aus Stuttgart haben das am Beispiel ihrer Mutter selbst erlebt: Sie hatte für ihre Arbeit als Nageldesignerin einen speziellen Tisch bestellt. Geliefert wurde der falsche. Schlimmer noch: Nach der Rücksendung bekam sie vom Verkäufer nie Geld zurück. Die Beschwerden landeten im Nirwana. Und als Einzelner hat man kaum eine Möglichkeit, Druck auszuüben – wenn man den Weg zum Anwalt scheut.Warum nicht einfach ein Internetportal lancieren, das Beschwerden bündelt und sie – falls nötig, mit Prangerwirkung – transparent macht? „Wir wollten, dass der ganze Bearbeitungsverlauf öffentlich sichtbar wird“, sagt Daniel Dittus. Die Internet-Idee lag nahe, weil beide in Portugal Mediendesign studiert haben. Unternehmergeist bringen die deutsch-portugiesischen Brüder, die in ihrem Leben zwischen Deutschland und Portugal gependelt sind, ebenfalls mit. Vor fünf Jahren, als in Portugal die Wirtschaftskrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, kehrten sie in ihr Geburtsland Deutschland zurück und begannen, Waschsalons zu betreiben – die auch jetzt die Basis für den Lebensunterhalt sind.

Den Impuls für Reklamieren24 gab eigene Erfahrung

Aber mit dem vor zwei Jahren online gegangenen Portal Reklamieren 24, das sich etwas vollmundig „nationale Schlichtungs-plattform“ nennt, wollen sie groß herauskommen. Es ist eine von ihnen entwickelte Internetseite, auf der für Verbraucher transparent wird, wie Unternehmen mit Reklamationen umgehen. Hier können Kunden gratis ihr Problem schildern, und die Webseite macht für jeden Interessierten öffentlich, wie es ihnen dabei ergeht. Das alles nach Unternehmen gegliedert, nutzerfreundlich und übersichtlich aufbereitet. Die von der Reklamation betroffenen Firmen werden nach einer umfangreichen Kriterienliste bewertet. Antworten sie überhaupt? Wie sind die Verbraucher mit der Antwort zufrieden? Private Daten wie Kundennummern und Namen werden dabei geschützt.

Reklamationen werden auf Seriosität geprüft

Man will gewährleisten, dass es um seriöse Anliegen geht. „Jeder Beitrag wird von uns überprüft, bevor er online geht“, sagt Daniel Dittus. Seit Jahresbeginn hat sich die Zahl der geposteten Reklamationen auf 500 im Monat verdoppelt, schon bald will man auf 1000 kommen. „Zurzeit hebt das richtig ab“, sagt Daniel. „Immer mehr Unternehmen haben begriffen, dass es besser ist, unzufriedene Kunden über uns zurückzuholen, als wenn sie resigniert wegbleiben.“

Seit zwei Monaten bieten sie für einen Betrag von 6,99 Euro an, sozusagen als Makler die Beschwerde weiterzuleiten. Das bedeutet keinen juristischen Beistand, signalisiert aber dem Empfänger: Was ihr tut, wird öffentlich gemacht. Doch es gibt auch noch andere Einnahmen. „Wenn Verbraucher Erfolg haben, überweisen sie oft sogar aus Dankbarkeit Geld“, sagt Dittus. Zwei Jahre lang haben Sie das Seitendesign optimiert und dafür gesorgt, dass bei Google-Suchen unter dem Stichwort „Reklamation plus Unternehmensname“ ihr Angebot möglichst weit nach oben kommt. Inzwischen gebe es auch Firmen wie das Vergleichsportal Check 24 und den Paketlieferdienst Hermes, welche die Plattform als Vehikel entdeckt hätten, um sich als Problemlöser zu profilieren.

Servicewerkzeug für Partnerunternehmen?

Auch das soll zum Geschäftsmodell werden: Reklamieren 24 will die Bearbeitung von Reklamationen durch seine eigene, immer weiter entwickelte IT erleichtern. Wenn beispielsweise ein Unternehmen eine vom Portal weitergeleitete Reklamation bekommt, soll sowohl dem Verbraucher als auch dem Bearbeiter ein Klick genügen, um den gesamten Reklamationsprozess samt gegebenenfalls beigefügten Zusatzdokumenten wie Fotos in den Blick zu bekommen.

Eine weitere Option sei eine Kooperation mit Anwälten, falls die Prangerwirkung auf Reklamieren 24 nicht genüge, um den Fall zu lösen. Noch ist das Zukunftsmusik, die kritische Masse nicht da. Doch was passiert mit dem bisherigen Zwei-Brüder-Betrieb, wenn die Anfragen massiv mehr werden? Glaubwürdigkeit und juristisch unanfechtbares Auftreten ist essenziell. Reklamieren 24 hat den Anspruch, Beschimpfungen und Verleumdungen vor der Publikation herauszufiltern. „Das schaffen wir zurzeit noch manuell“, sagt Dittus. Er ist zuversichtlich, dass sein Bruder, ein Programmierer, eine künftig notwendige Automatisierung und Vorfilterung hinbekommen wird, etwa durch das Aufspüren von problematischen Vokabeln.

Bei einer künftigen Reklamationsflut soll IT helfen

Doch wenn die Automatisierung im großen Maßstab funktionieren soll, landet man beim nicht trivialen Thema Spracherkennung und Künstliche Intelligenz, bei dem man potenziell mit technologisch besser gerüsteten Start-ups konkurriert. In jedem Fall ist das Stuttgarter Projekt ein Beispiel dafür, wie mit minimalem technologischem und personellem Aufwand eine Plattform im Internet etabliert werden kann – wenn die Idee stimmt.

Und was passiert, wenn etwa ein bestehendes Vergleichsportal die Idee kopiert? Investoren, etwa für eine massive Marketingkampagne, sucht man erst mal nicht. „Die Leute kommen zurzeit von alleine“, sagt Daniel Dittus. Es sei möglich, aus eigener Kraft zu wachsen und auch die IT-Herausforderungen zu stemmen.