Der laufende Ausbau der Stadtbahnlinie U 12 zwischen Dürrlewang und Remseck ist im Entwurf des Nahverkehrplans enthalten. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Reizthema Nahverkehr hat am Dienstag im Rathaus die Gemüter erhitzt. Nach einem Eklat und Protesten wurde die Debatte um 14 Tage vertagt.

Stuttgart - Bei der Debatte über den neuen Nahverkehrsplan hat es am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik eine heftige Kontroverse gegeben.

Während der Debatte sprachen sich CDU und Grüne sowie die Fraktionen von FDP, Freien Wählern und der AfD dafür aus, in das umfangreiche Werk nur das bestehende Angebot sowie bereits geplante und finanzierte neue Strecken aufzunehmen. Zu Letzteren zählen etwa der Ausbau der Stadtbahnlinien U 12 (Remseck–Dürrlewang) sowie die Verlängerung der Linie U 6 vom Fasanenhof zum Flughafen. Bei der Aufnahme noch nicht finanzierter Wünsche und von Absichtserklärungen sei wegen EU-Richtlinien die von allen Fraktionen gewünschte Direktvergabe des Nahverkehrs zu Anfang Januar 2019 an die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) gefährdet. Die Stadt hat die SSB bis Ende 2018 mit der Bedienung des Liniennetzes betraut.

„Perspektivische Vorgaben sind wegen der Anforderungen der EU nicht hilfreich“, erklärte auch Thomas Knöller vom VVS. Um eine Direktvergabe an die SSB nicht zu gefährden, dürfe der Plan nur „klare und eindeutige Angebote“ enthalten.

Diese Sicherheit sah die Mehrheit im Ausschuss durch zwei Anträge von SPD und SÖS/Linke-plus als gefährdet an. Beide Fraktionen fordern darin – wie bereits berichtet – zusätzliche Verbesserungen. Dazu zählen etwa Nachtbusse an Werktagen sowie engere Takte auf den SSB-Buslinien in der City. Die SPD möchte die Takte morgens und abends von 30 auf 15 Minuten verkürzen. Außerdem soll die SSB-Busflotte abends eine Stunde länger bis 0.30 Uhr fahren. Darüber hinaus wollen die Sozialdemokraten, dass die Stadtbahnlinie U 19 zum Neckarpark als Antifeinstaublinie nicht nur befristet bis April 2017, sondern dauerhaft unterwegs sein soll.

Kotz: Anträge von SPD und Linke/SÖS-plus sind „ärgerlich“

Auch nach Auffassung von SÖS/Linke-plus muss der Nahverkehr ausgebaut werden, um die Luftqualität zu verbessern. Zudem seien die S-Bahnhöfe Feuerbach, Bad Cannstatt, Vaihingen und Universität Vaihingen zu Verkehrsknoten mit besseren Umsteigemöglichkeiten zu entwickeln. Diese Punkte gehörten in den Nahverkehrsplan, betonten SPD-Fraktionschef Körner und Linke-Sprecher Ozasek.

Dieser Sicht der Dinge widersprach CDU-Sprecher Alexander Kotz. Das vorrangige Ziel aller Stadträte müsse es sein, so Kotz, die künftige Vergabe des Nahverkehrs an die SSB zu sichern. Deshalb dürfe der Plan nur bestehende und gesicherte Leistungen enthalten. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass private Beförderungsunternehmen die Vergabe gerichtlich anfechten könnten. „Die Anträge von SPD und SÖS/Linke-plus, in denen gute Dinge drin stehen, gehören deshalb in den Nahverkehrsentwicklungsplan“, konstatierte Kotz. Dieser Ansicht schlossen sich auch die Grünen an. Die beiden Anträge seien „ärgerlich“, weil die darin formulierten zusätzlichen Wünsche noch gar nicht finanziert seien.

Als Kotz dann im Verlauf der Debatte beantragte, die Abstimmung über die beiden Anträge zu vertagen und die Ausschuss-Mehrheit auch einen entsprechenden Beschluss fasste, kam es nach dem Protest der Antragsteller zum Eklat: Die beiden Stadträte der Linken, Christoph Ozasek und Luigi Pantisano, verließen wegen der „Verletzung demokratischer Rechte“ den Sitzungssaal. SPD-Fraktionschef Martin Körner nannte das Beschlussverfahren ebenfalls höchst undemokratisch.

Föll und Pätzold haben „falsch gelegen“

Wenig später musste Bau- und Umweltbürgermeister Peter Pätzold, der den CDU-Antrag auf Vertagung zugelassen hatte, einräumen, dass er und Finanzbürgermeister Michael Föll mit ihrer Einschätzung zu dieser Abstimmung „leider falsch“ gelegen hätten. Das Thema Nahverkehrsplan werde nun weder am Mittwoch noch am Donnerstag im Verwaltungsausschuss und im Gemeinderat behandelt, sondern erst in 14 Tagen wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Dann stimme man auch über die beiden Anträge ab.

Stadtrat Ozasek erklärte auf Nachfrage, dass er nach dieser neuen Entwicklung keine Beschwerde beim Regierungspräsidium erheben werde. Er bestehe aber auf einer Entschuldigung von Finanzbürgermeisters Michael Föll, der sich in der Debatte „oberlehrerhaft“ aufgeführt“ habe. Der Verstoß gegen Rechte von Fraktionen müsse auch Ein Gesprächsthema mit dem Oberbürgermeister Fritz Kuhn sein.

Finanzbürgermeister Michael Föll erklärte die Vergabe des Nahverkehrs über 2018 hinaus zur Existenzfrage für die SSB. Nur ein richtiger Plan mit real vorhandenem Angebot sichere weiterhin ein seit Jahren anerkannt gutes Bus- und Bahnangebot aus einer Hand.