Auch die Panda-Maske des Stuttgarter Rappers Cro gehört zu den Ausstellungsstücken. Foto: dpa

Eine Lücke im kulturellen Angebot der Landeshauptstadt ist geschlossen. Mit dem neuen Stadtpalais hat auch sie endlich ein Stadtmuseum – und zwar ein sehr modernes. Es dürfte sich als eine der spannendsten Kultureinrichtungen der Stadt etablieren, meint Josef Schunder im Kommentar.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat also doch noch die Kurve gekriegt. Ab sofort verfügt auch sie über ein Stadtmuseum. Das ist gut so. Gewiss: 41 Millionen Euro sind dafür ein hoher Preis, und so mancher wird mit dieser Großinvestition in einen sogenannten weichen Standortfaktor hadern. Aber das ist bei Kulturprojekten selten anders.

Der nicht ganz abwegige Vorwurf, Stuttgart sei eine geschichtsvergessene Stadt, wird fortan so einfach nicht mehr zu erheben sein. Mit dem neuen Haus hat die Stadt einen eigenen, angemessenen, greifbaren und begehbaren Ort für die Erkundung der Frage, wie sie früher tickte, heute tickt und künftig ticken könnte. Wer allerdings erwartet, im neuen Haus würde haarklein die Entwicklung von der Eiszeit bis heute aufgezeigt, wird sich wundern. Die Dauerausstellung zur Historie könnte kleiner und knapper nicht ausfallen. Der Grund ist einfach: Mit ihr zieht man auf Dauer keine Massen an. Die Spannung hochhalten sollen wechselnde Sonderausstellungen zu Phänomenen der Gegenwart mit Stuttgart-Bezug. Das ist konsequent. Dadurch wird die Investition lohnender. Insofern haben die Kommunalpolitiker dann doch manches richtig gemacht, als sie bei der Entwicklung sehr spät den Kurs korrigierten.

Auch Kids werden angezogen werden

Das Ergebnis hat nur noch wenig mit den ersten Ideen zu tun – damals, als die 1999 (!) gestarteten Bemühungen von ehrenamtlichen Geschichtsfreunden endlich sichtbar wirkten, übrigens mit dem Zutun des damaligen Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster. Ironischerweise wird mit der jetzigen Konzeption eine andere Schuster-Vision noch unrealistischer: das Science-Center. Das neue Haus verleibt sich Elemente eines technisch orientierten Erlebniszentrums ein. Es hat das Zeug, eine der spannendsten Kulturstätten Stuttgarts zu werden. Selbst pubertierende Kids werden hingehen – zumindest, um Latte macchiato oder Cocktails zu trinken und das WLAN zu nutzen. Vielleicht auch für mehr.

Dass man für das Neue den Namen Stadtpalais wählte und das Wilhelmspalais opferte, mag manchen bekümmern. Schlimm ist das nicht. Dass man mit nicht nachvollziehbaren Argumenten ein verheerendes Logo einführte, ist gravierender, aber noch reparabel und auch nicht entscheidend. Wichtig ist, dass das Genre Stadtmuseum neu interpretiert wird. Alles andere wäre befremdlich, wenn man schon die vielleicht letzte deutsche Stadt ist, die diese Lücke schließt.

Die Besucher gehen mit Hausaufgaben

Was so entstand, ist ein bisschen wie eine Wundertüte. Im Inneren stecken viele gute Häppchen, aber auch schwer verdauliche Sachen. Die Macher setzen in der Dauerausstellung vergleichsweise wenig Schlaglichter und entlassen die Besucher – vor allem jene, die den Audioguide nicht nutzen – mit reichlich Fragen und Hausaufgaben. Das ist gewollt, weil man umfassende Erklärungen von Stuttgart und seiner Identität nicht liefern kann, man aber die Auseinandersetzung mit dieser Stadt fördern will. Dadurch wird jedoch auf Dauer eine Art Begleitprogramm nötig. Auch darin liegt eine Bewährungsprobe für Direktor Torben Giese.

Falls es gut klappt, könnte am Charlottenplatz wirklich ein Treff für unterschiedlichste Zielgruppen und ein Denkfabrikle der Stadtgesellschaft entstehen. Im Moment spricht immerhin einiges dafür, dass die Stadt den richtigen Leiter geholt hat. Giese hat ein Gespür nicht nur für Geschichte, sondern auch für den Zeitgeist und das Herausfiltern der Fragen, die ein zeitgemäßes Museum thematisieren kann. Besonders spannend wird es, sollte er sein Versprechen halten, Stuttgart auch Heikles vorzusetzen. Nötig ist eine Dauerauseinandersetzung der Bürger mit ihrer Stadt und ihren heiligen Kühen gewiss. Die Konflikte um S 21 und die autogerechte Stadt bezeugen das.

josef.schunder@stzn.de