Die Chefs der beiden großen Fraktionen sitzen im Gemeinderat nebeneinander und demonstrieren auch inhaltlich Gemeinsamkeit: Alexander Kotz von der CDU sowie Andreas Winter und Anna Deparnay-Grunenberg von den Grünen (von rechts). Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der neue Pakt von CDU und Grünen auf städtischer Ebene zieht einen heftigen Streit im Stuttgarter Gemeinderat nach sich. Die Kritiker finden, die Haushaltsberatungen würden zum Nachspiel degradiert oder gar zur Farce gemacht. Sie wollten die Beratungsprozedur ändern, fanden aber keine Mehrheit.

Stuttgart - Weil die CDU und die Grünen Stuttgarts Stadthaushalt 2016/2017 schon vorab unter sich aushandelten, hat die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke plus am Donnerstag im Gemeinderat vom Leder gezogen. Im Protest mit ihr vereint war die SPD – und die rechtspopulistische AfD.

Thomas Adler (Linke) stellte verärgert den Antrag, dass diesmal nicht nur die entscheidende Dritte Lesung des Haushalts am 18. Dezember öffentlich ist, sondern auch die Erste und die Zweite Lesung. Diese Vorberatungen sind traditionell nicht-öffentlich. Adlers Kalkül: Für die Bürger solle möglichst früh sichtbar sein, was die großen Fraktionen allein aushandelten – und was sie mit ihrer Mehrheit gegen andere Fraktionen durchziehen wollen. Aber nur 22 Stadträte im Gremium, das mit OB Fritz Kuhn (Grüne) zusammen 61 Stimmberechtigte hat, votierten für eine andere Prozedur. CDU und Grüne bügelten den Antrag nieder, mit unterstützt von FDP und Freien Wählern.

Fraktionschef Adler beklagt eine Regierungsbildung

Adler kritisierte, CDU und Grüne wollten den Haushaltsentwurf der Verwaltung weitgehend abnicken, statt kontrovers um die besten Entscheidungen zu ringen. Anderen Fraktionen werde „Spielgeld“ zugewiesen. Es handle sich um eine Regierungsbildung, die die Gemeindeverfassung nicht vorsehe. Die Etatberatungen drohten vollends zur Farce zu werden. Die grüne Partei kette sich an die Autopartei CDU. Die Transparenz für die Bürger leide weiter. Wenn schon vorab hinter verschlossenen Türen ein Handel geschlossen werde, sollten CDU und Grüne sich wenigstens gleich in der Ersten und Zweiten Lesung öffentlich erklären.

Dagegen hatte sich am Mittag hinter verschlossenen Türen aber bereits der Ältestenrat ausgesprochen. Der OB soll dabei auch das AfD-Ansinnen abgelehnt haben, Erste und Zweite Lesung einzusparen. Die Einladung dazu sei sein Ding, soll Kuhn gesagt haben. Wer nicht wolle, solle halt wegbleiben. Der Rat könne nur darüber entscheiden, ob man öffentlich tagt.

SPD wahrt die Fraktionsdisziplin

Dafür stimmte im Gemeinderat dann auch einer, der im Ältestenrat dagegen gewesen war: Hans H. Pfeifer (SPD). Seine Genossen fanden die Öffentlichkeit nämlich wünschenswert, obwohl man sich die Kritik SÖS/Linke plus nicht komplett zu eigen mache, sagte Martin Körner. „Es liegt hier eine schriftliche Absprache von CDU und Grünen vor – wenn das kein Koalitionsvertrag ist, weiß ich auch nicht“, meinte Lothar Maier (AfD). Die Absprache entspreche nicht dem Geist der süddeutschen Ratsverfassung, die dem Umgang mit den Gemeindeangelegenheiten zugrunde liegt.

Das war eine Replik auf Äußerungen von Schwarz-Grün, dass es hier nicht um einen Vertrag mit Unterschriften gehe, sondern nur um „eine Liste mit gemeinsamen Themen“ (CDU-Chef Alexander Kotz). Maier widersprach damit auch Kuhn, der gesagt hatte, der Vorgang widerspreche nicht der Ratsverfassung. Das sei sicher, meinte Kuhn, auch wenn er nicht wisse, ob es sich um eine Koalition handle. Selbst Koalitionen wären zulässig, Absprachen sowieso.

Die Paktierer rügen SÖS/Linke-plus

SÖS/Linke-plus seien selbst schuld an ihrem Schicksal, sagten Kotz und Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne). 2013 habe die Riege am Ende das Ja zum Haushaltswerk verweigert, obwohl man ihre Bedingung erfüllt habe. SÖS/Linke hätten auch Ideen für die Finanzierung ihrer Wünsche, bei denen man sich an den Kopf fasse, sagte die Grünen-Sprecherin. Man könne nicht Projekte stoppen, die im Bau seien. Grüne und CDU hätten einen Pakt für haushalterische Vernunft geschlossen. Die Vorberatungen müssten weiter nichtöffentlich sein, weil man da mit der Verwaltung „ins Detail geht“.