Rainer Welte zeigt die Urkunde, die sein Großvater 1916 vom König erhielt. Neben ihm seine Frau und rechts Jennifer Lauxmann-Stöhr. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der Punsch von König Wilhelm II. ist legendär. Nach dem Originalrezept wurde jetzt das Heißgetränk im Stadtpalais, dem Stuttgart-Museum, verkostet. Auch Königstocher Pauline, die „Oma dicker Max“ genannt wurde, verblüfft noch heute.

Stuttgart - Ein König, der seinen Gästen an Silvester einen Punsch serviert, der es in sich hat, eine pferdeverrückte Prinzessin, die den aus Paris stammenden Schmuck ihrer Mutter verkauft, um sich Pferde leisten zu können, und die als einziger Mensch in Deutschland auf einer Pferdekoppel beerdigt wird – ach, was für wunderbare Geschichten lassen sich im Stadtpalais entdecken, in der eine großartige Sonderausstellung zum 100. Todestag von Wilhelm II. zu sehen ist! Eines wird dabei klar: Bei den Königs ging’s recht menschlich zu – wie in den Familien der Königsuntertanen einst und bei Demokraten heute! Und was obendrein amüsiert: Prinzessin Pauline, der Stolz vom alten König, wurde von ihren Enkeln später „Oma dicker Max“ genannt. Ja, das ist großes Kino im Hause Württemberg!

32 Prozent Alkohol in der königlichen Essenz

Der Geislinger Apotheker Rainer Welte, der nach dem Originalrezept des letzten württembergischen Königs einen Punsch aus Schwarztee, Rotwein, Rum, Zitrusfrüchten und weiteren Botanicals stets zum Jahresende seiner Familie und seinen Freunden kredenzt, macht gleich mal klar: Auch wenn er viel Spaß daran hat, die königliche Essenz (32 Prozent Alkohol) nach der Rezeptur herzustellen, die ihm sein Großvater Hermann Welte überliefert hat (Wilhelm II. hatte diesen am 16. November 1916 „allergnädigst zum Oberapotheker“ bestellt), sei er durch und durch Demokrat. „Einen König braucht Deutschland nicht mehr“, unterstreicht Welte im Stadtpalais. Und schon erheben alle ihr Glas Punsch auf spannende Erinnerungen an die Monarchie von Württemberg, die längst vorbei ist, aber die bis heute nachwirkt.

Prosit, Wilhelm! Und Prosit, Pauline!

100 Jahre später wird die Zeremonie am historischen Ort wiederholt

Vater und Tochter Württemberg liefern tolle Geschichten. Ausführlich und vergnügt wird an diesem Abend darüber gesprochen. Die Menschen von heute lieben es, Glühwein in der kalten Jahreszeit zu trinken. Vor über 100 Jahren, als der letzte König von Württemberg in jenem Haus lebte, das man erst Wilhelms- und heute Stadtpalais nennt, musste es ein Punsch sein. Wichtiger Bestandteil war bei Wilhelm II. der Schwarztee, der nur kurz ziehen durfte, damit seine Wirkung als Wachhalter an Silvester durchschlug. Solche Nächte konnten beim Landesvater von Württemberg, einem Theaterfan, dem Stuttgart das Opernhaus von Max Littmann verdankt, äußerst lang sein.

Über 100 Jahre später wird die Zeremonie am historischen Ort für einen exklusiven Kreis wiederholt. Apotheker Rainer Welte hat seine Königsessenz mitgebracht, die er originalgetreu herstellen kann, weil sein Großvater in der königlichen Hofapotheke gearbeitet hat, in dessen Labor die Zutaten für den Punsch so aufwendig zusammengemixt wurden, wie man’s heute von der Gin-Produktion kennt. Ein guter Rotwein muss drin sein, ein guter Rum natürlich auch.

Am Sonntag haben alle Frauen freien Eintritt bei der Königsausstellung

Heiß ist der Königspunsch. Der Tee schmeckt stark heraus, der Alkohol ist angenehm austariert und zitrusfein. Welte hat sich mal überlegt, Wilhelms Punsch auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt zu verkaufen. „Man sagte mir, ich muss Jahrzehnte warten, bis ich eine Bude bekomme“, sagt der Apotheker im Ruhestand. Sein Punsch ist eine gute Grundlage, um über Familienbesonderheiten bei Königs zu reden. Marie, Wilhelms erste Frau, starb 1882 bei der Totgeburt ihres dritten Kindes. Auch Königssohn Ulrich erlebte nicht seinen ersten Geburtstag. Prinzessin Pauline, am 19. Dezember 1877 geboren, ist das einzige Kind des letzten Königs von Württemberg, das überlebte. Eigenwillig war die burschikose Frau, die mit Hunden groß wurde und deren Liebe den Pferden galt. Aus Anlass ihres 144. Geburtstags zahlen Frauen an diesem Sonntag keinen Eintritt, wenn sie die Königsausstellung im Stadtpalais besuchen. Weil Pauline, die nach ihrer Hochzeit zur Fürstin von Wied wurde, nicht eben schlank war, sagten ihre Enkel ganz frech „Oma dicker Max“ zu ihr.

Den Schmuck hat sie verkauft, um sich neue Pferde leisten zu können

Den wertvollen Familienschmuck von Mutter Marie hat „Oma dicker Max“ nach dem Krieg verkauft, um sich Pferde kaufen zu können. Über Italien und vielen Umwegen landete die Parure der württembergischen Königsgattin in Japan – von dort wurde sie für die Ausstellung in Stuttgart bis Ende Januar ausgeliehen, ist erstmals öffentlich zu sehen. Damit ist der Kuratorin Edith Neumann ein Coup gelungen. Noch einen Grund gibt’s, warum Pauline in die Geschichtsbücher einging: Ihr Wunsch, auf einer Pferdekoppel beerdigt zu werden, um Pferden nahe zu sein, wurde 1965 von der Stadt Ludwigsburg erfüllt. Gibt’s sonst nirgendwo. Großartig! Darauf einen Schluck Königspunsch!