Im Ehrlichweg auf dem Fasanenhof wird über Nachverdichtung gestritten. Foto: Alexandra Kratz

Der Wohnungsbedarf in Stuttgart nimmt immer noch schneller zu als die Gewinnung von neuen Grundstücken und die Möglichkeit der städtischen Wohnbauförderung. Deren Niedergang sei jetzt immerhin gestoppt, eine deutliche Aufwärtsbewegung eingeleitet, sagen OB Fritz Kuhn und Finanzbürgermeister Michael Föll.

Stuttgart - Die städtische Förderung von Sozialmietwohnungen ist 2015 so stark gestiegen, dass Stuttgarts Verwaltungsspitze von „deutlicher Trendumkehr“ und Aufschwung spricht. Vergangenes Jahr habe man das Ziel, pro Jahr 300 Sozialmietwohnungen zu schaffen, mit 278 Einheiten knapp verfehlt, sagten OB Fritz Kuhn (Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) am Freitag. Für 2016 und 2017 habe man gute Aussichten, mit insgesamt 608 Einheiten das Ziel leicht zu übertreffen.

Diese Botschaft wertete auch der Gemeinderatsausschuss für Wirtschaft und Wohnen bei der Debatte über den Wohnungsbericht 2015 im Grundsatz als positiv. Diverse Zahlen wurden aber auch kritisch hinterfragt. So sagte Philipp Hill (CDU), 136 der 278 Anträge auf Förderung von Sozialwohnungen hätten sich 2014 nach 2015 verschoben. Wirklich neu seien 2015 nur 142 Fälle gewesen. Hill: „So viel Ehrlichkeit muss sein.“

Beim Förderprogramm fehlt es an geeigneten Grundstücken

Die Verwaltung machte aber gar keinen Hehl daraus, dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt „angespannt bleibt“, wie Kuhn einräumte. Erhard Brändle, Experte der Verwaltung für Wohnungsbauförderung, sagte: „Die Schere zwischen dem Bedarf und unseren Möglichkeiten geht weiter auseinander.“ Das zeigt sich auch daran, dass die Zahl der Vormerkungen in der städtischen Wohnungskartei von 3557 auf 3758 stieg und die Zahl der Not- und Dringlichkeitsfälle von 2015 auf 2236, womit sie 59 Prozent ausmachen. Die Schere werde wohl weiter auseinandergehen, sagte Brändle, bis die verstärkte Förderung sich in etwa zwei Jahren in mehr Wohnungsbezügen niederschlage.

Seine Hoffnung ruht auch darauf, dass die im Bündnis für Wohnen mitarbeitenden Wohnungsunternehmen der Stadt die Verlängerung von Belegungsrechten gewähren, die andernfalls wegfallen würden, weil einst bezuschusste Sozialwohnungen aus der Förderung herausfallen. Beim Förderprogramm Preiswertes Wohneigentum fehlt es an geeigneten Grundstücken, weshalb die Fallzahl 2015 nur von 17 auf 21 anstieg. Beim Familienbauprogramm, wo die Zahl von 34 weiter auf 21 sank, müsste man schon die Fördersätze erhöhen, wenn man mehr Erfolg wolle, sagte Brändle. Da krankt die Nachfrage an den gestiegenen Baukosten.

Kuhn sieht Sozialwohnungen als kommunale Aufgabe

Immerhin stieg bei den Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher die Zahl der Förderfälle von null auf 101 Einheiten, sodass die Stadt bei der kompletten Wohnbauförderung auf insgesamt 421 Einheiten und ein Fördervolumen von knapp zehn Millionen Euro kam.

Jedem war klar, dass noch viele Anstrengungen nötig sind. Außer in Stuttgart und Esslingen gebe es „eigentlich nirgendwo in der Region Sozialwohnungsbau“, klagte Kuhn. Der Verband Region Stuttgart wolle zwar eine gemeinsame Initiative, doch Sozialwohnungen seien eine kommunale Aufgabe. Zum Glück sei der Abstieg bei der Wohnbauförderung in Stuttgart aus der Zeit vor seinem Amtsantritt „erst einmal gestoppt“. Noch höhere Ziele wären kaum umzusetzen. Zur besseren Bedienung des Bedarfs an bezahlbaren Wohnungen hofft Kuhn auf das Bündnis für Wohnen. Die SPD beklagt hier einen Stillstand, aber Kuhn bestritt das indirekt. Die Arbeitsgruppen kämen gut voran. Am 1. Juni würden „materielle Ergebnisse“ präsentiert.

Adler: Bauprogramm für Gemeindewohnungen wäre konsequent

Thomas Adler (Die Linke) sagte, ein städtisches Bauprogramm für Gemeindewohnungen mit einem Volumen von 100 Millionen Euro wäre die einzig richtige Konsequenz. Man brauche mehr Bauflächen, meinte Bernd Klingler (AfD). Baugebiete auf der grünen Wiese statt in Ortslagen verlangte aber niemand ausdrücklich. Die Verhältnisse in Stuttgart seien so, dass „das Wachstum auf dem Wohnungsmarkt in Stuttgart ein Wachstum nach Maß sein muss“, stellte Kuhn klar. Die Liste möglicher Baugrundstücke müsse man aber konsequent abarbeiten. Verwaltung und Gemeinderat müssten zielstrebig kooperieren, sagte Brändle.

Diskutiert wurde auch, ob die Stadt die Kriterien für die Vermittlung von Wohnungen ändern soll, für die sie Belegungsrechte hat. Anerkannte Flüchtlinge müssen bisher nicht wie andere Wohnungssuchende drei Jahre in Stuttgart gelebt haben. Das wolle die Verwaltung momentan nicht ändern, sagte Föll. 2015 seien bei 805 Wohnungsvergaben 18 Flüchtlinge zum Zuge gekommen: „Das sind zwei Prozent. Wir sollten das Thema nicht überhöhen.“ Außerdem seien Flüchtlinge ohnehin schon monate- oder jahrelang in Stuttgart, ehe sie anerkannt seien und Anträge stellen könnten.

Jürgen Zeeb von den Freien Wählern verlangte aber, „über eine andere und faire Lösung nachzudenken“. Man solle sich alle Daten und Fakten rund um die Vormerkdatei genau anschauen, forderte CDU-Stadtrat Hill. Im Moment habe die CDU aber keine Änderung vor. Die Debatte soll jetzt noch vor den Sommerferien stattfinden. Sie müsse aber „diskriminierungsfrei“ verlaufen, mahnte Kuhn. Würde man die Drei-Jahres-Frist für alle Wohnungssuchenden abschaffen, würden in der Vormerkdatei wahrscheinlich noch einmal rund 1000 Namen mehr stehen, warnte Erhard Brändle.