Weniger Zeitdruck – das ist ein Ziel des neuen neunjährigen Gymnasiums im Land. Aber wer betreut die Kinder, die nun nachmittags mehr Freizeit haben? Das fragt sich der geschäftsführende Schulleiter der Stuttgarter Gymnasien, Manfred Birk.
Weniger Wochenstunden und Zeitdruck, mehr Raum für die Vertiefung des Stoffs und außerschulische Aktivitäten – das ist ein Wunsch, der mit der Rückkehr zum G9 in Baden-Württemberg ab dem Schuljahr 2025/26 verbunden war. Tatsächlich wird es laut der Stundentafel, die bislang für das neunjährige Gymnasium ab Herbst 2025 vorgesehen ist, auch teils weniger Wochenstunden geben, je nach Klassenstufe eine bis vier Stunden weniger als im G8.
Manfred Birk, geschäftsführender Schulleiter für die Stuttgarter Gymnasien, kann sich allerdings nicht vorstellen, dass es im Interesse aller Eltern ist, wenn ihre Kinder nun bereits am frühen Nachmittag zuhause sind. „Viele Eltern arbeiten beide und sind froh, dass die Kinder bislang im Nachmittagsunterricht oder im offenen Ganztag betreut werden“, sagte der Leiter des Dillmann-Gymnasiums bei der Podiumsdiskussion „Bildungsreform in Baden-Württemberg – Was kommt nun auf Familien, Lehrkräfte und die Stadt zu?“, organisiert von unserer Zeitung. Die Gesellschaft habe sich verändert, nun stelle sich die Frage, wer die Nachmittagsbetreuung der Kinder im G9 auffange.
Schulleiter haben ein Problem
Kritik übte Manfred Birk auch an der Umsetzung der Bildungsreform durch das Land. Die gymnasialen Schulleiter hätten sich „gewünscht, dass wir bestimmte Entscheidungen früher gehabt hätten“. Weil nach wie vor die gesetzliche Grundlage, also der Beschluss des Landtags für die Bildungsreform, fehle, könne sich immer noch etwas ändern. Gleichzeitig müssten die Gymnasien aber in diesen Wochen Eltern und Kinder darüber informieren, was sie ab Herbst erwartet. Momentan laufen die Informationsveranstaltungen an den Schulen. Anfang März müssen Eltern ihre Kinder für ein Gymnasium anmelden. „Wir zeigen den Eltern derzeit eine Stundentafel unter Vorbehalt, das ist für uns ein Problem“, so Birk.
Was die Schulreform vorsieht
Die Schulreform sieht für die weiterführenden Schulen jenseits des Gymnasium Folgendes vor:
- Abschaffung des Werkrealschulabschlusses, Werkrealschulen bieten künftig nur noch den Hauptschulabschluss an
- Die Realschule führt vorrangig zur mittleren Reife, zeigt aber auch einen klaren Weg zum Abitur auf
- Unterschiedliche Schularten können Schulverbünde gründen
- Wenn sich eine Real- und eine Werkrealschule zusammenschließen, lehren die Realschulen nur noch auf dem mittleren Niveau und nicht zusätzlich noch auf dem Hauptschulniveau
Daniel Hager-Mann, Amtsleiter im Kultusministerium, der mit Birk auf dem Podium saß, versuchte, diesbezüglich zu beruhigen: Der Landtag werde nach jetzigem Plan den entsprechenden Beschluss am 29. Januar fassen, so Hager-Mann.
Positiv findet Manfred Birk, dass das neue G9 mehr Demokratiebildung in allen Klassenstufen vorsieht. Allerdings warnte er vor übertriebenen Erwartungen. „Das G9 soll die Eier legende Wollmilchsau sein, aber wir Schulen können nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft sein“, so Manfred Birk.