Größere Klassen und mehr Unterrichtsausfall: In Stuttgart gibt es bei der Versorgung der Schüler mit Lehrern und Unterrichtsstunden nicht immer Spitzennoten. Foto: dpa

In Stuttgart liegt der Versorgungsgrad mit Lehrern an allen Schularten außer am Gymnasium unter 100 Prozent. An Grundschulen stehen trotz hoher Schülerzahlen weniger Lehrkräfte zur Verfügung und landesweit erhöht sich der Unterrichtsausfall. Das Land will reagieren.

Stuttgart - Peter Hofelich wollte es genau wissen. Schließlich ist er Betreuungsabgeordneter der SPD-Landtagsfraktion für Stuttgart – und als solcher fragte er Anfang Februar bei der Landesregierung an, wie es um die Unterrichtsversorgung in der Landeshauptstadt bestellt sei, zumal das Thema landesweit Sorgen bereitet. „Die Bestandsaufnahme hilft, mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig gegensteuern zu können“, sagt Hofelich, der eigentlich Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Göppingen ist.

Die Antwort kam von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Aus dem Inhalt schließt Hofelich, dass „auch in Stuttgart bei der Unterrichtsversorgung einiges im Argen liegt“. Am meisten habe ihn überrascht, dass „nicht einmal der Pflichtunterricht gewährleistet ist“. Denn im Schuljahr 2017/18 liegt der Versorgungsgrad der Schüler mit Lehrern und Unterrichtsstunden an allen Schularten außer am Gymnasium in Stuttgart unter 100 Prozent. Besonders schlecht sieht es bei den Realschulen aus: dort ist der Wert von 102,8 Prozent im Schuljahr 2015/16 über 99,6 Prozent 2016/17 auf 97,5 Prozent gesunken.

Kultusministerin bestätigt Unterversorgung

Eisenmann bestätigt, dass „der Versorgungsgrad der Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen im Bereich des Staatlichen Schulamts Stuttgart unterhalb von 100 Prozent“ lag. Dennoch sei es „weitestgehend durch organisatorische Maßnahmen gelungen, den Pflichtunterricht sicher zu stellen“, etwa durch das befristete Einstellen von Pensionären und freiwilliger Teilzeiterhöhung.

Das reicht Hofelich allerdings nicht. Er fordert: „Der Versorgungsgrad an allen Schulen sollte perspektivisch bei 106 Prozent liegen, damit die Schulen auf kurzfristige Ausfälle reagieren können und Unterrichtsausfall vermieden wird“. Aus dem gleichen Grund will er, dass die Vertretungsreserve mit 1666 Lehrkräften ausgebaut wird, da, wie Eisenmann schreibt – „auch in diesem Schuljahr ein Großteil der Vertretungsreserve bereits zu Schuljahresbeginn eingesetzt war“. Hofelich weißt darauf hin, dass die SPD einen „entsprechenden Haushaltsantrag“ gestellt hatte.

Dringenden Handlungsbedarf sieht er bei den öffentlichen Grundschulen im Stadtkreis Stuttgart. Denn dort „stehen trotz hoher Schülerzahlen weniger Lehrkräfte zur Verfügung, was größere Klassen bedeutet“. Er hat mit den Zahlen des Ministeriums einen Schnitt von 21,4 Schüler pro Klasse für das Schuljahr 2017/18 statt 20,9 Schüler pro Klasse im Vorjahr errechnet, besuchen im Schuljahr 2017/18 doch 18 374 Grundschüler insgesamt 857 Klassen (2016/17 gingen 18 624 Grundschüler in 888 Klassen). „Die aktuellen Engpässe bei den Grundschulen und in der Sonderpädagogik sind vor allem dadurch verursacht, dass der Lehrermarkt schlicht leer gefegt ist“, sagt Eisenmann. Genaue Zahlen, wie viele Vollzeitlehrereinheiten aktuell den Schulen in Stuttgart zur Verfügung stehen, gibt es allerdings noch nicht.

Land esweit 5000 Pensionäre im Einsatz

Um gegenzusteuern hat das Kultusministerium im vergangenen Jahr deshalb ein Maßnahmenpaket aufgelegt. Dazu gehören Teilzeiterhöhungen, Versetzungen in Mangelregionen, der Einsatz pensionierter Lehrkräfte und das Angebot an Lehrer mit gymnasialer Lehrbefähigung, sich für das Grundschullehramt zu qualifizieren. Im aktuellen Schuljahr sind landesweit rund 500 Pensionäre an den Schulen im Einsatz. Dazu kommen 300 Lehrkräfte, die ihre Dienstzeit über ihre Altersgrenze hinaus verlängert haben. 650 Lehrkräfte haben ihre Stundenanzahl erhöht.

Ein weiteres Problem sieht Hofelich im Unterrichtsausfall. Dieser stieg 2017 insgesamt auf 3,6 Prozent gegenüber 3,2 Prozent im Vorjahr. An Gymnasien und beruflichen Schulen im Land stieg er sogar um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr: In der 47. Kalenderwoche des Jahres 2016 betrug der Unterrichtsausfall an beiden Schularten 4,5 Prozent, 2017 waren es 5,4 Prozent. „Angesichts der Tatsache, dass 2250 Gymnasiallehrkräfte zu Beginn des Schuljahres keine Stelle bekommen haben, ist dieser Umstand nicht vermittelbar“, so Hofelich.

Zahlen speziell für Stuttgart gibt es zum Unterrichtsausfall nicht. Informationen für das Land lassen sich einer Stichprobenuntersuchung des Kultusministeriums entnehmen, die einmal pro Jahr in der 47. Kalenderwoche an 15 Prozent der öffentlichen Schulen durchgeführt wird. Eisenmann: „Es ist unser klares Ziel, zu einer deutlich verlässlicheren Datenbasis zu kommen, um passgenauer und besser reagieren zu können“. Das Kultusministerium arbeitet an einer Lösung, um künftig mehrmals im Jahr eine Vollerhebung (dabei werden alle öffentlichen Schulen im Land einbezogen) durchführen zu können.

Hofelich sieht nun Eisenmann in der Pflicht: „Die Ministerin muss im Nachtragshaushalt liefern“. Dieser findet voraussichtlich im Herbst statt. Dann hat das neue Schuljahr bereits begonnen.