Freitags, samstags und vor Feiertagen wird der Schlossplatz ab 20 Uhr weiter videoüberwacht. Foto: 7aktuell.de/Daniel Jüptner

Der Gemeinderat hat entschieden: Die 30 Kameras, die für mehr Sicherheit in der Innenstadt sorgen sollen, bleiben mindestens ein weiteres halbes Jahr an.

Ist die polizeiliche Videoüberwachung auf dem Schlossplatz, dem Kleinen Schlossplatz und Teilen des Oberen Schlossgartens gerechtfertigt? An dieser Frage scheiden sich im Gemeinderat auch knapp ein Jahr nach der Einführung noch immer die Geister. CDU-Stadtrat Markus Reiners zum Beispiel begrüßte am Donnerstagabend im großen Sitzungssaal des Rathauses die Maßnahme. Er sah in ihr ein Mittel zur Prävention. „Polizisten können gezielt zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden“, so der Christdemokrat, der sich für die Fortsetzung der Videoüberwachung aussprach. Für Einzelstadträtin Sibel Yüksel stellte sie indes einen „massiven Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger“ dar. Weil „die Zahlen nicht so gravierend“ seien, lehnte sie die Maßnahme ab.

 

17 Straftaten registriert

In den vergangenen elf Monaten waren an 111 Abenden 30 Kameras in Betrieb – immer freitags, samstags und vor Feiertagen von 20 bis 6 Uhr. „Insgesamt wurden 82 Vorkommnisse registriert“, sagte Sicherheitsbürgermeister Clemens Maier. Unter anderem 17 Straftaten, bei denen eine Eskalation teilweise vermieden worden sei. 46-mal habe die Strafverfolgung im Vordergrund gestanden. „Nicht zahlenmäßig erfasst sind alle Vorkommnisse, die durch das Vorhandensein der Videobeobachtung erst gar nicht entstanden sind. Teilweise konnten Konflikte beendet werden, bevor es zu Straftaten kam“, so Maier, der betonte, dass „keine Künstliche Intelligenz oder Gesichtserkennung zum Einsatz“ komme. „Stattdessen werden die Bilder von zwei Polizisten in Echtzeit begutachtet“. Wenn nichts passiert, würden die Aufnahmen nach 72 Stunden automatisch gelöscht, sagte der Bürgermeister, der betonte, dass die Maßnahme ein Puzzlestück von vielen sei, die zur Sicherheit in Stuttgarts Innenstadt beitrügen.

Aus Sicht von Linke-Stadtrat Luigi Pantisano zeige der Blick auf die vorgelegten Zahlen, wie wenig die Videoüberwachung bringe. „82 polizeirelevante Sachverhalte in knapp einem Jahr. Wenn man sich die Liste anschaut, kann man auf den ersten Blick erkennen, dass es sich in zwölf Fällen nicht um Straftaten handelt, dann sind wir nur noch bei 70.“ Weitere elf Delikte, die in den Bereich Betäubungsmittelkriminalität fallen, könnten mit Blick auf eine mögliche Legalisierung von Cannabis rausfallen. „Dann sind wir am Ende nur bei 60 Taten“, so Pantisano, der kritisierte, dass die Maßnahme wie schon bei der Messerverbotszone nur auf bestimmte Personen abziele. Das zeige sich daran, dass die Videoüberwachung während Veranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt nicht aktiv sei. „Wenn jemand betrunken beim Weindorf eine sexuelle Straftat begeht, laufen die Kameras gar nicht, weil man die Gruppe, die sich dort aufhält, nicht überwachen will.“

Überwachung an Haltestellen und in Stadtbahnen

Auch FDP-Stadtrat Matthias Oechsner ist kein Befürworter der Videoüberwachung. Stuttgart sei eine der sichersten Großstädte Deutschlands, betonte der Liberale. In dem Puzzlestück sehe er nicht die entscheidende Komponente für die Sicherheitsarchitektur der Stadt. Wenn man sie mit dem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte abwäge, komme seine Fraktion zu dem Schluss, sie abzulehnen. Rose von Stein, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, konnte die Kritik ihrer Stadtratskollegen nicht nachvollziehen. „An Haltestellen und in Stadtbahnen wird die Videoüberwachung doch auch akzeptiert.“ Man dürfe Diebstahlsdelikte und Körperverletzungen nicht auf die leichte Schulter nehmen, dementsprechend sprach sie sich für die Maßnahme aus.

Mit 40 zu 16 Stimmen entschied sich das Gremium für eine Fortsetzung der Videoüberwachung. Der Vorschlag der Stadt, künftig nur noch jährlich statt alle sechs Monate über die Entwicklung zu berichten, wurde allerdings abgelehnt – unter anderem von Grünen-Stadtrat Florian Pitschel, der die Videoüberwachung als eine „bürgerrechtliche Zumutung“ bezeichnete. Er stimmte zwar für die Fortsetzung der Maßnahme, weil sie gut begründet sei, enge Schranken habe und man einen Erfolg erzielen konnte. „Jedoch wollen wir das Ganze weiterhin engmaschig beobachten in der Hoffnung, dass wir bald an einen Punkt kommen, an dem wir die Kameras nicht mehr brauchen.“