Die Züge von Abellio können künftig auch in Stuttgart fahren Foto: dpa

Nach einer Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe haben sich die Chancen für die Deutsche Bahn verschlechtert, dass sie weiterhin von 2019 an den Schienennahverkehr in und um Stuttgart weiter betreiben kann.

Bei der Ausschreibung von Schienennahverkehrsleistungen – ohne die S-Bahn - im Umfang von jährlich 14,8 Millionen Zugkilometern von 2019 an hatte die Bahn zwar die preisgünstigere Offerte gemacht und ihren aus Monopolzeiten stammenden bisherigen Zugkilometerpreis von 11,70 Euro sogar halbiert. Aus Sicht des baden-württembergischen Verkehrsministeriums unter Winfried Hermann (Grüne) hat der Bahnkonzern allerdings wichtige Anforderungen der Ausschreibung nicht erfüllt. Es geht um die Bedingung, dass die Preise pro Zugkilometer im ersten Betriebsjahr nicht mehr als zehn Prozent höher sein dürften als in den Folgejahren. Diese Preisgrenze war von der Bahn leicht überschritten worden, wie das Land meinte, deshalb erhielt sie nicht den Zuschlag.

Streit um Werkstattkosten

Auch, dass die Bahn die Werkstattkosten mit Null beziffert hatte, monierte das Land. Vor Gericht ist nun akribisch um diese Formalien und die Auslegung der Ausschreibungsbedingungen gerungen worden. Erst mit dem Sommerfahrplan 2019 – Beginn am 9. Juni – sollten die Kosten hochgerechnet werden, nach Lesart des Landes setzte die Bahn anteilig aufs Jahr gerechnet einen zu kurzen Zeitraum an – sie berechnete erst ab 1. Juli - und lag deshalb im Angebot günstiger. Gestritten worden ist auch um die Kosten der Nutzung betrieblicher Werkstätten, dass die Bahn da eine Null einsetzte, das wollte auch Richterin Hemmerich-Dornick nicht einsehen: „Sie hätten die Kosten doch angeben müssen.“ An anderer Stelle hielt sie der Bahn vor, eine Aussage über die Werkstattkosten stehe „ausdrücklich“ in den Ausschreibungsunterlagen. Der Rechtsbeistand der Bahn wies auf vage oder ständig wechselnde Bieterinformationen hin. Im übrigen habe man mit einem ähnlichen Angebotstableau schon den Zuschlag für Netze erhalten.

Am Ende der Verhandlung erhielt Andreas Moschinski-Wald, der Vorsitzende der Regionalleitung Baden-Württemberg der Bahn, als letzter zu sprechen: Er hielt einen streckenweise kaufmännischen Kurzvortrag mit der Einzeldefinition von Pacht, Investition und laufenden Aufwendungen, was von Juristen offenbar anders verstanden werde als von Betriebswirten und Kalkulatoren. Man habe den Rechtsstreit „mit sehr gutem Gewissen“ angestrebt, sagte Moschinski-Wald. „Wir haben keine Schweinereien beabsichtigt.“

Dank für die zügige Behandlung

Dieser Satz war offenbar gemünzt auf Kritik des Deutschland-Chefs von Abellio, Stephan Krenz, der der Bahn durch die häufige Anrufung von Gerichten „Verzögerungstaktik“ vorgeworfen hatte. Krenz zeigte sich am Verhandlungstag in einer Presseerklärung „zuversichtlich“, dass das OLG Karlsruhe „unsere Rechtsauffassung bestätigen“ wird und Abellio ab Juni den Betrieb im Stuttgarter Netz aufnehmen könne. Der Abellio-Chef dankte dem Vergabesenat am OLG Karlsruhe, dass er das Beschwerdeverfahren der Bahn „zügig behandelt“ habe. „Eine weitere Verzögerung hätte massive Auswirkungen für die Millionen Fahrgäste in Baden-Württemberg, die länger auf neue Fahrzeuge und besseren Service warten müssten.“ Abellio plant mit 43 neuen Zügen auf das Schienennetz zu gehen, will 250 Mitarbeiter einstellen und eine Verwaltungszentrale einrichten sowie in ein neues Bahnbetriebswerk investieren. Das Stuttgarter Netz ist zwischen dem niederländischen Betreiber Abellio und der britischen Go-Ahead in drei Lose aufgeteilt und reicht bis nach Mannheim, Bruchsal, Osterburken, Tübingen, Crailsheim, Ulm, Karlsruhe, Würzburg und Ulm – dort liegen die Endpunkte.