Gutachten im Auftrag der Grünen ermittelt wichtige Weichenstellungen für neuen Verkehrsvertrag. Bei den Planungen drängt die Zeit.
Bis spätestens 2027 muss in der Region Stuttgart die Ausschreibung für einen neuen S-Bahn-Vertrag erfolgen. Die EU-weite Vergabe für den dann ab 2032 geltenden Verkehrsvertrag soll schon 2028 abgeschlossen sein. Wenig Zeit für eine so wichtige Weichenstellung. Die Grünen-Fraktion in der Regionalversammlung des Verbands der Region Stuttgart hat deshalb jetzt von Verkehrsexperten in einem Gutachten untersuchen lassen, wie die „Zukunft der S-Bahn Stuttgart“ aussehen könnte.
Dreieinhalb Jahre vergehen ziemlich schnell
Bei der Vorstellung der Studie am Dienstagabend betonte der Vorsitzende der Grünen im Regionalparlament, André Reichel, dass wegen des engen Zeitplans schon 2026 die Rahmenbedingungen für den Vertrag feststehen müssten. „Wer sich im schienengebundenen ÖPNV auskennt, weiß, dass knapp dreieinhalb Jahre schnell vorbeigehen“, so Reichel. Das derzeitige S-Bahn-System stamme aus den späten 1960er und frühen 1970er Jahren. Angesichts der Verkehrswende und der Klimaschutzziele müsse das System „in seinen Grundzügen jetzt neu gedacht werden“.
Ziel der Studie, die das Verkehrswissenschaftliche Institut Stuttgart (VWI) ausgearbeitet hat, war es, zunächst die zentralen Aspekte einer zukünftigen Gestaltung des S-Bahn-Systems darzustellen. Wichtigste Erkenntnis: Um die Fahrgastzahlen nach 2032 deutlich zu steigern und damit einen Beitrag zu den gesetzten Klimazielen zu leisten, sei „ein sekundäres S-Bahn-Netz“ notwendig. Soll heißen: Mehr Passagiere könne die Stuttgarter S-Bahn in Zukunft nur dann befördern, wenn die Züge nicht nur auf der bisherigen Stammstrecke verkehren, sondern auch neue Linienführungen nutzen.
Als mögliche zusätzliche S-Bahn-Strecken wurde die Panoramabahn sowie die Schusterbahn nach Kornwestheim definiert. Wie der leitende Gutachter des VWI, der Verkehrswissenschaftler Ullrich Martin, betont, könnten neue ergänzende Strecken zur Stammstrecke im Störfall eine „sehr gute Resilienzwirkung“ erzielen.
ETCS bringt mehr Pünktlichkeit
Mit dem künftigen digitalen Zugsicherungssystem ETCS werden nach Ansicht der Grünen zwar die Voraussetzungen für eine pünktliche und zuverlässige S-Bahn geschaffen. „Allerdings können damit nicht die bestehenden Stammstreckenlinien weiter verdichtet werden“, sagte Reichel. „Für uns ist der 15-Minuten-Takt auf der Stammstrecke gesetzt“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen in der Regionalversammlung, Michael Lateier.
Die Studie umfasst unter anderem auch Überlegungen zum Design der S-Bahn-Züge. Demnach seien auf dem Hintergrund variierender Bahnsteighöhen zur Sicherung der Barrierefreiheit unterschiedliche Ausstiegshöhen innerhalb eines Zuges denkbar. Zudem könnten zur Kapazitätssteigerung die bisher bestehenden Fahrzeuglängen von knapp 70 Metern überdacht werden: Auch einteilige Züge mit einer Länge von 200 Metern, wie bereits in München geplant, seien möglich. Derart lange Züge wären allerdings für die bestehende S-Bahn-Werkstatt der DB Regio in Plochingen deutlich zu lang. Da bräuchte es einen neuen Standort.