Der Umweltverband BUND attestiert der Stadtverwaltung mangelnden Willen zur Verkehrswende und kritisiert die schleppende Umsetzung der Verkehrsberuhigung im Zuge der baldigen Eröffnung des Rosensteintunnels. Städtische Verkehrsplaner halten dagegen.
Stuttgart - Für die Stadt und eine Mehrheit des Gemeinderats ist es ein Grund zur Freude: Die Inbetriebnahme des neuen Rosensteintunnels im September rückt näher. Nicht so für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Stuttgart: Der Umweltverband bemängelt die fehlende Verkehrsberuhigung in Bad Cannstatt, Stuttgart-Ost und Zuffenhausen und fordert eine Verschiebung der Tunneleröffnung. Städtische Verkehrsplaner kontern die Kritik.
Das Projekt war politisch lang Zeit hoch umstritten. So stimmte etwa die SPD-Basis im Jahr 2010 auf einer Kreismitgliederversammlung gegen den Bau der beiden jeweils 1,3 Kilometer langen Tunnelröhren, die Genossen im Gemeinderat setzen sich aber über das Votum hinweg und brachten das Projekt 2012 gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien im Stadtparlament auf den Weg. Um den Zorn der Parteibasis zu mindern, setzte die SPD-Fraktion allerdings 22 sogenannte Begleitmaßnahmen durch, die verhindern sollen, dass die angrenzenden Stadtbezirke weiterhin vom Schleich- und Durchgangsverkehr belastet werden.
BUND: Der Stadtverwaltung fehlt der Wille zur Verkehrswende
Dass davon bis dato nur wenig umgesetzt worden ist, kritisiert nun der BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer massiv. Die Stadtverwaltung habe neun Jahre Zeit gehabt, um entsprechende Pläne für verkehrsberuhigende Maßnahmen insbesondere für die Cannstatter Stadtteile Hallschlag, die Neckarvorstadt und das Seilerviertel und für Zuffenhausen auszuarbeiten. „Fortschrittliche Städte hätten schon längst ihren Bürgern dargelegt, wie die Straßen vom Durchgangsverkehr befreit werden können“, schreibt Pfeifer in einer Pressemitteilung. Die Planungen lägen deutlich hinter dem Zeitplan, acht Monate vor der Tunnelöffnung wüssten weder die kommunalpolitischen Gremien noch die Bürger, wie der Stand der Dinge sei. Pfeifer verweist als Negativbeispiel auf den Bau des B-14-Kappelberg-Tunnels nach Fellbach, der Bad Cannstatt vom Autoverkehr entlasten sollte. Nach dessen Fertigstellung habe es 23 Jahre gedauert, bis der zugesagte Straßenrückbau in dem Stadtbezirk tatsächlich erfolgt sei.
Seine Generalabrechnung gipfelt in dem Satz: „Das Problem sind die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung, denen der Wille zur Verkehrswende fehlt und die im alten, autogerechten Denken verhaftet sind.“ Für den Straßenbau sei immer genügend Personal vorhanden, für Rückbaumaßnahmen müsse dagegen immer das Argument des Personalmangels herhalten.
Verkehrsplaner haben bereits eine Reihe von Umbauten vorgenommen
Bei den städtischen Verkehrsplanern kommt die Kritik nicht gut an. „Wir sind mit Hochdruck dran, die begleitenden Maßnahmen zeitnah umzusetzen “, sagt Stefan Oehler vom Stadtplanungsamt. Man sei „irritiert“ über die Aussagen des BUND. Gegenüber dem letzten Zwischenbericht 2015 seien eine ganze Reihe der beschlossenen Rück- und Umbauten, wie etwa der Umbau der Kreuzung Wangener Straße/Talstraße im Stuttgarter Osten bereits erfolgt. Andere wiederum könnten erst im Zuge des Rückbaus der Pragstraße auf jeweils eine Fahrspur stadtein- und auswärts nach Freigabe des Tunnels erfolgen. Manche wie etwa den Umbau der Brendlekreuzung in Stuttgart-Wangen habe man aufgrund anderer Planungen wie in diesem Fall der Hauptradroute 2 modifizieren müssen.
„Manches, was beschlossen wurde, ließ sich nicht eins zu eins umsetzen“, räumt Oehler ein. Klar sei auch, dass die vor zehn Jahren erhobenen Verkehrsdaten zur Entlastungswirkung einzelner Maßnahmen mittlerweile überholt seien. Deshalb sollen noch vor Inbetriebnahme des Rosensteintunnels Verkehrszählungen etwa auf der Rosensteinbrücke und im Bereich Neckartalstraße/Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt eine aktuelle Datengrundlage liefern.
Nach Tunneleröffnung provisorische Radspuren auf der Pragstraße
Nach Informationen unserer Zeitung will die Stadt bis zum endgültigen Rückbau der Pragstraße unmittelbar nach der Tunneleröffnung in beide Fahrtrichtungen jeweils einen Fahrstreifen provisorisch für den Radverkehr reservieren, auch in der Cannstatter Schönestraße könnte eine Spur in Richtung Rosensteinbrücke zunächst als temporäre Fahrradspur ausgewiesen werden. Der aktuelle Stand der Begleitmaßnahmen soll noch vor Ostern dem Ausschuss für Stadtentwicklung präsentiert werden.