Pavel (Pavel Bobrov) macht sich auf den Weg nach Kalifornia. Foto: Laura Mahlberg

Er soll auf „eine sehr eigene filmische Handschrift verweisen, die Vorfreude auf den ersten langen Film der Studentin weckt“: Mit der Begründung wurde „Kalifornia“ von Laura Mahlberg bei der Berlinale nominiert. Der Kurzfilm an sich macht schon Freude.

Stuttgart - Eine Straße, ein grauer Himmel, eine öde Landschaft. Mittendrin ein alter Mann, er trägt einen Mantel und einen Koffer in der Hand.

Ein anderer, ein junger Mann versucht, seine Vespa in Gang zu setzten. Es klappt nicht. Die beiden Männer laufen eine Weile nebeneinander her. Der eine trägt seinen Koffer, der andere schiebt seine Vespa. „Wohin sind Sie unterwegs?“, fragt der junge Mann. „Nach Kalifornien“, sagt der ältere, der Pavel heißt. „Und was machen Sie dann hier?“, fragt der junge Mann. „Ich bin ja noch auf dem Weg“, sagt Pavel.

Auf dem Weg ist auch Laura Mahlberg. Auf dem richtigen. Denn ihr Film „Kalifornia“, den die 24-Jährige für ihren Abschluss an der Merz-Akademie drehte, ist für die Berlinale nominiert. Das internationale Filmfestival wird am Donnerstag in der Hauptstadt eröffnet, bis zum 17. Februar werden mehr als 400 Filme gezeigt. Seit Montagmorgen haben die Ticketschalter für die Berlinale geöffnet. Filmbegeisterte hatten die Nacht lang darauf gewartet, Karten zu ergattern.

Auch, um „Kalifornia“ zu sehen. Der Film von Laura Mahlberg wurde als einer von elf für die Sektion Perspektive Deutsches Kino auserwählt. „Als die Chefin dieser Sektion mich anrief und mir sagte, dass sie meinen Film nominieren wollen, fragte sie mich, wie meine Zukunftspläne aussehen – es scheint den Festivalmachern wichtig zu sein, dass man auch wirklich Filme machen will“, sagt Mahlberg.

„Das Studium sollte mir dabei helfen, Drehbücher schreiben zu können“

Sie will. Unbedingt. Wenngleich dies nicht von Anfang an klar war. Nach dem Abitur verbrachte die Heidelbergerin ein Jahr in Australien und machte sich Gedanken darüber, was sie studieren sollte. Klavier oder Kunst, zwischen diesen beiden Leidenschaften musste sie sich entscheiden. Schließlich fing sie an, in Stuttgart an der Merz-Akademie zu studieren. Nach dem ersten Orientierungssemester stand für sie fest, dass sie sich auf Film und Video spezialisieren würde. Im dritten Semester drehte sie ihren ersten Kurzfilm „Der Partisan“. „Danach war ich vollends Feuer und Flamme für den Film“, so Mahlberg.

Nicht trotzdem, sondern deshalb fing sie zusätzlich an, Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Literatur an der Fernuni Hagen zu studieren. „Das Studium sollte mir dabei helfen, Drehbücher schreiben zu können.“

Es scheint gefruchtet zu haben. Im März 2011 begann Laura Mahlberg, das Drehbuch für den Film zu schreiben, der Teil ihrer Bachelor-Arbeit bei Professor Christoph Dreher an der Merz-Akademie war. Im Oktober 2011 begannen die Dreharbeiten zu „Kalifornia“, Ende März 2012 war eine erste Version fertig, Ende September gab Mahlberg eine kleine Premiere für alle Mitwirkenden. „Dann habe ich mir die Festivalliste angeschaut – und zufällig war der Einsendeschluss für Kurzfilme auf der Berlinale der 14. November. Das passte“, sagt Mahlberg.

„Sehr eigene filmische Handschrift“

Ja, das passte. Denn prompt kam die Zusage, sie flatterte am 27. Dezember als verspätetes, aber schönstes Weihnachtsgeschenk ins Haus. Doch was ist das Besondere an Mahlbergs Film? Laut Pressemitteilung der Berlinale „verweist ‚Kalifornia’ auf eine sehr eigene filmische Handschrift, die Vorfreude auf den ersten langen Film der Studentin weckt“.

Vielleicht rührt diese eigene filmische Handschrift auch daher, dass alles aus einer Hand kommt. „Das ist das Interessante für mich beim Filmemachen: dass ich von der Idee bis zum fertigen Film alle Stationen begleite“, sagt Mahlberg. Woher sie die Idee hat, kann sie allerdings nicht sagen. Nur, dass das Thema eines ist, dass sie schon länger verfolgt. „Schon in meinen beiden anderen Kurzfilmen ‚Der Partisan’ und ‚Gelb’ geht es um eine Person, die auf der Suche nach sich selbst und ihrer Aufgabe im Leben ist“, sagt Mahlberg. „Das ist eine Art Leitmotiv in meinen bisherigen Arbeiten.“

So ist auch Pavel, ihr 71-jähriger Protagonist in ‚Kalifornia‘ auf der Suche. Der Russe ist mit seinem Leben unzufrieden – und macht sich auf, um diesem noch einmal eine Wende zu geben. In der Darstellung jenes Versuchs geht der Film sehr reduziert vor: Man weiß nichts über Pavel oder seine Vergangenheit und kennt nicht den genauen Grund für seinen Aufbruch. Man sieht ihn nur in seinem Wohnwagen, umgeben von der Landschaft, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Nur sein Ziel ist bekannt: Kalifornia. Pavel läuft los, scheinbar unerschrocken. Doch je länger er unterwegs ist, desto weniger konkret wird sein Ziel. Er steigt in ein Taxi ein, der Fahrer fragt ihn, wohin es gehen soll. „Nach Kalifornien“, sagt Pavel. Der Taxifahrer lacht lauthals los: „Ha, nach Kalifornien!“ Nachdem er sich beruhigt hat, will er wissen, wohin Pavel tatsächlich will. „Ich weiß nicht“, sagt dieser.

Für den Film waren 10.000 Euro zu finanzieren

Mahlberg wusste derweil genau, was sie wollte. Um den Film realisieren zu können, arbeitete sie ein Jahr in einer Bar, um das nötige Geld dafür zusammenzubekommen. 10.000 Euro waren zu finanzieren, 3000 Euro kamen über Sponsoren rein, den Rest erarbeitete sie sich.

Und fuhr davon an die Nordsee. Doch nicht, um Urlaub zu machen, sondern um die Schauplätze auszuwählen. Auch in Heidelberg und Mannheim wurde sie fündig. Nun galt es, Drehgenehmigungen einzuholen und die Schauspieler aufzutreiben. Dann wurde gedreht: „Wir mussten dauernd von Ort zu Ort reisen, da ‚Kalifornia’ ein Roadmovie ist“, sagt Mahlberg, die momentan in München an ihrem ersten Langfilm arbeitet. Eigentlich ging sie nach Bayern, um Literaturwissenschaft zu studieren, doch „ich konnte die ganze Zeit nur ans Filmen denken“, so Mahlberg. So schmiss sie ihr Studium, begann mit dem neuen Filmprojekt – und wird nebenbei noch ihren Master in Europäischer Moderne an der Fernuni Hagen machen.

Fern wie Kalifornia. Aber müsste es nicht entweder Kalifornien heißen oder aber California? „Die vermeintlich falsche Schreibweise des Titels steht dafür, dass es sich bei Pavels Ziel nicht um den tatsächlich existierenden Ort Kalifornien handelt, sondern um die Vorstellung davon“, sagt Mahlberg. „Kalifornien verkörpert für ihn den Wunsch und den späten Versuch, sein Leben noch einmal zu ändern und in der Ferne neu zu gestalten.“

Laura Mahlbergs Film „Kalifornia“ hat auf der Berlinale im Cinemaxx am Potsdamer Platz in Berlin am 14. Februar um 19.30 Uhr Premiere, am 15. wird er noch weitere zweimal gezeigt. Weitere Informationen unter: www.berlinale.de, www.facebook.com/KaliforniaLauraMahlberg.