OB Fritz Kuhn sagt, die Wohnungsnot der Menschen berühre ihn. Was manche Fraktionen über die Arbeit der Verwaltung sagten, habe ein „Zerrbild“ ergeben. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Im Stuttgarter Rathaus gibt es jetzt auch noch einen Unterausschuss der Stadträte zum Wohnungsbau. Er soll das Ausmosten der knappen Flächenreserven verbessern. Der vorprogrammierte Streit trat ein.

Stuttgart - Im Rathaus gibt es seit Montag ein Gremium mehr, in dem die Themen rund um das kapitale Problem des Wohnungsmangels debattiert werden. Bei der ersten Sitzung des neuen Unterausschusses Wohnungsbau prallten gleich wieder die gegensätzlichen Meinungen aufeinander.

OB Fritz Kuhn (Grüne) wies das „Zerrbild“ zurück, das einige Fraktionen, namentlich die CDU, mit teilweise unfairen Meinungsbeiträgen im Amtsblatt gezeichnet hätten. Nach dem Motto, die Verwaltung brauche eine andere Einstellung, denn sie werkle im üblichen Trott vor sich hin, statt den Wohnungsbau anzukurbeln. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt „berührt“ ihn. Es geschehe aber auch viel. Der OB stützte sich auf neue Zahlen des Statistischen Amts der Stadt, wonach 2017 in Stuttgart „brutto“ 2129 neue Wohnungen fertiggestellt wurden, netto – also nach Abzug der abgerissenen oder nun anders genutzten Wohnungen – 2039 Einheiten. Wer das zu wenig finde, müsse sagen, wo er ein höheres Pensum verwirklichen wolle. „Die Frage ist nach wie vor, ob wir im großen Stil auf die Äcker bauen sollen“, sagte Kuhn, der das mit Blick auf zunehmenden Hitzestress in den Städten und das Bedürfnis zur Naherholung der Menschen ablehnt. Teile des Gemeinderats wollten zwar mehr bauen, sagten aber nicht wo, monierte Kuhn. In Zweifel zog er auch Theorien, dass selbst der Bau teurer Eigentumswohnungen für Wohnungssuchende in anderen Segmenten Entlastung bringen würden durch sogenannte Sickerungseffekte. Kuhn: „In die freiwerdenden Wohnungen ziehen nicht Ärmere aus Stuttgart ein, sondern die Mittelschicht von außerhalb Stuttgarts.“

Bürgerlich-konservatives Lager ist unzufrieden

Silvia Fischer sagte, die Grünen wollten „das Bauen auf der grünen Wiese nicht aktivieren“, zumal die Umsetzung solcher Projekte lang dauern würde. Rund 2000 neue Wohnungen pro Jahr seien eine „grundsolide und realistische Zahl“.

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz hielt dagegen, auch eine gute Verwaltung könne noch besser werden. Stuttgart müsse mehr Verantwortung für eine gute Wohnungsversorgung übernehmen. Man müsse mehr bauen, wenngleich dadurch nicht unbedingt der Preis von Wohnungen sinke. Martin Körner (SPD) meinte, in der Zahl der 2039 Wohnungen seien Flüchtlingsunterkünfte enthalten. „Höchstens 1600 sind zusätzliche neue Wohnungen.“ Wer das in Ordnung finde, nehme in Kauf, dass ob der Nachfrage die Preise fürs Wohnen „enorm steigen“. Im Übrigen seien Projekten der Innenentwicklung genauso langwierig wie solche der Außenentwicklung.

Linke und Stadtrat Klingler zweifeln Nutzen von Bauoffensive an

Michael Conz (FDP) meinte, Stuttgart müsse wesentlich mehr und höher bauen. Das sei das Einzige, was helfe. Stuttgart habe viel Wald und könne auch mal Bäume opfern. Jürgen Zeeb (Freie Wähler) hielt Kuhn vor: „Sozialwohnungen sind nicht alles, auch für die Mittelschicht muss man was tun.“ Die Verwaltung müsse bei Dingen wie der Genehmigung von Dachgauben schneller entscheiden.

Thomas Adler (Die Linke) urteilte, weder die Verwaltung noch die anderen Ratsfraktionen hätten die richtigen Konsequenzen aus der Misere gezogen. Nicht einmal exzessives Bauen auf der grünen Wiese würde gegen die Mietpreisexplosion helfen. Ähnlich sah es Bernd Klingler (BZS 23): „Alles zuzubauen, bringt nichts.“

Der Unterausschuss soll nun in der Regel alle sechs Wochen tagen und in erster Linie für den Umwelt- und Technik-Ausschuss Vorarbeit leisten, der für Bebauungsplanverfahren zuständig ist. Das neue Gremium wird den Stand und die Erweiterungsmöglichkeiten schon beschlossener Baugebiete prüfen und auch früher verworfene, zum Teil sehr kleine Flächen noch einmal prüfen.