Stuttgarter Rapper und Regisseur Sekou Neblett Foto: red

Für Sékou Neblett, einst Rapper beim Freundeskreis, waren die neunziger Jahre eine wichtige Zeit. Deutscher Hip-Hop stellt für ihn die Neuentdeckung der deutschen Sprache dar. Bei der Filmschau Baden-Württemberg präsentiert er seinen ersten Film: „Black Tape“.

Herr Neblett, man kennt Sie vor allem als Rapper vom Freundeskreis. Wie kamen Sie zum Film?
Da muss ich weiter ausholen. Ich kam zurück nach Deutschland, um Anglistik und Germanistik in Freiburg zu studieren. Ich wollte eigentlich Autor werden, habe dann irgendwann Max Herre in Stuttgart kennengelernt. So wurde ich Teil vom Freundeskreis. Ich war immer eher ein zufälliger Rapper, wenn man so sagen möchte. Das war der perfekte Einstieg in die Musik. Ich dachte aber immer, dass ich irgendwann mal Autor werde. Irgendwann war ich dann fünf Jahre bei Freundeskreis. Der Zug war abgefahren, ich hatte auch diese Autorenstimme nicht mehr. Ich hatte aber immer noch den Drang, Geschichten zu erzählen.
Hatten Sie denn schon Erfahrungen mit Film?
In den neunziger Jahren war das alles wie ein erweiterter Freundeskreis von kreativen Köpfen. Der Regisseur Zoran Bihac hat zum Beispiel unsere Videos gedreht. Auch er hat uns etwas beigebracht. Das sind Sachen, die man verinnerlicht. Ich merkte, dass das etwas ist, wie ich Geschichten erzählen wollte. Ich habe dann doch noch Film an der Merz-Akademie studiert.
Mit Ihrem Film „Black Tape“ betrachten Sie die Anfänge des deutschen Hip-Hops.

Ich wusste, dass ich als Debüt etwas machen wollte, das mit mir zu tun hat. Wenn es auch sonst niemand interessieren wird, habe ich zumindest mich als Absicherung. Für mich war der Zugang zu der Zeit der neunziger Jahre ein kultureller. Deutscher Hip-Hop stellt für mich die Neuentdeckung der deutschen Sprache dar. Anfang der neunziger Jahre gab es eine Abneigung gegenüber der eigenen Sprache, es gab Leute, die keine deutsche Musik gehört, keine deutschen Filme geschaut haben. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Deutscher Hip-Hop hat das enttabuisiert. Man konnte nur in der eigenen Sprache erzählen, wie toll man sich selbst findet. Fremdwörter, Anglizismen, Slang, Mundart und neue Wörter kamen da hinzu. Das war ein Experiment, an das sich der Hip-Hop gewagt hat. Heute ist deutschsprachige Musik in ihrer ganzen Vielfalt selbstverständlich.

Ist der deutsche Hip-Hop also auch schuld an der vielen schlimmen deutschsprachigen Musik, die es gibt?

Schlimme Sachen gab es auch schon vor dem deutschen Hip-Hop. All das Schlagereske und die Spaßmusik gab es schon immer. Deutschsprachige Themen gab es, den Punk, die Neue Deutsche Welle, die Hamburger Schule – das war immer mehr eine Haltung und hat nichts an der Sprache verändert. Im deutschen Hip-Hop fand man sich auf einmal toll und gab damit an. Man darf sich heute ernst nehmen, ohne zynisch zu sein.

Sie spüren in Ihrem Film dem Rapmythos Tigon nach. Die Legende besagt, dass er der erste deutsche Rapper war, der aber ums Leben kam. Wie viel an Ihrem Film ist Wahrheit, wie viel Fiktion?

Ich dehne den Begriff Doku sehr weit aus. Es gibt viele fiktive Elemente in diesem Film. Man weiß aber nie genau, was ist inszeniert und was ist echt. Das Publikum muss sich ins Kino setzen und das erleben.

Sie haben viele Weggefährten mit ins Boot geholt wie etwa Max Herre, Afrob, Thomas D, Eko Fresh, Stieber Twins. So ist „Black Tape“ auch eine Dokumentation des deutschen Hip-Hops. Die neunziger Jahre waren auch ganz persönlich für Sie eine wichtige Zeit.

Natürlich. Mit dem Hip-Hop fängt mein Erwachsenenleben an, mein erstes Geld habe ich mit der Musik verdient, mein erstes richtiges Geld mit Freundeskreis. Ich hatte die Chance mitzuerleben, wie der Deutsche sich mit seiner Vergangenheit auf popkultureller Ebene beschäftigt und da auch eine kleine Befreiung erlebt hat. Das war ein großer Zufall. Ich finde es toll, dass ich so einen kulturellen Wechsel miterleben durfte. Heute gibt es das nicht mehr, sondern ein Kontinuum. Es gibt zwar das Internet und solche Sachen, aber das finde ich kulturell nicht so spannend.

Und wo steht deutscher Hip-Hop heute?

Er ist Mainstream, was nicht wertend gemeint ist. Es geht ums Business. Die jungen Rapper haben die Vermarktung ausgecheckt, zählen ihre Follower und gehen dann zu einer Plattenfirma. Oder sie machen dann alles selbst. Indie ist dann aber nicht mehr Indie. Eine Firma wie Chimperator macht riesige Umsätze. Hip-Hop lebt vom Image. Es geht um einen Lifestyle: was repräsentiere ich, was stelle ich dar, wie inszeniere ich mich. Der junge Rapper kann heute Songs schreiben, die ins Ohr gehen. Früher war die Devise, bloß kein Geld zu verdienen. Spannend wurde es, als das Establishment auf diese Künstler traf. Das war Ende der neunziger Jahre, als Afrob und Freundeskreis zu Four Music gegangen sind. Das war ein schöner Moment, in dem es aufgeblüht ist. Danach war alles nur noch ein Kompromiss.

Was ist Ihrer Meinung nach der beste deutsche Rapsong, der je geschrieben wurde?

Der wichtigste ist sicherlich „Fremd im eigenen Land“ von Advanced Chemnistry. Das war die erste Hymne. Der Song ist nicht zeitlos, aber zeitlich durchaus wichtig. Den besten aber, den gibt es nicht.