Die Villa Scheufelen ist neuerdings als Grundschule gefragt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In Stuttgart haben private Grundschulen Aufwind. Trotz strenger Auflagen gibt es Neugründungen. Die Nachfrage steigt. Die Angebote werden immer differenzierter.

Stuttgart - Das Interesse vieler Familien an einem privaten Grundschulplatz ist ungebrochen und nimmt sogar zu. Das Angebot wird immer differenzierter. Nur Grundschulen, die einen kirchlichen Hintergrund oder ein besonderes pädagogisches Profil anbieten, erhalten vom Land eine Genehmigung. Allein sieben der zwölf freien Grundschulen in Stuttgart – die vier Waldorfschulen nicht mitgerechnet – sind Bekenntnisschulen. Die anderen punkten mit besonderen Lernformen, Profilen oder einer Betreuung nach Maß. Der Ausbau der städtischen Ganztagsschulen hat sich offenbar nicht auf die Nachfrage nach privaten Alternativen ausgewirkt.

Schulkonzept für Kinder mit Diabetes

Kai Buschmann, der Sprecher der Freien Schulen in Stuttgart, meint zwar: „Das ist kein expandierender Markt mehr.“ Dennoch plant er als Leiter der Waldschule in Degerloch den Aufbau einer privaten Grundschule – als Unterbau zur Realschule und dem Gymnasium. „Wir würden gern im September 2017 damit starten.“ Vorausgesetzt, das Kultusministerium stimme zu. Das Besondere daran: das pädagogische Konzept ist speziell auch auf Kinder mit Diabetes Typ 1 ausgerichtet. Die Zahl der Neuerkrankungen steige derzeit um drei bis fünf Prozent im Jahr, besonders häufig breche die Krankheit zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr aus.

„Wir hatten immer wieder Schüler mit Diabetes Typ 1 und mitbekommen, dass das ein wachsendes Thema ist“, berichtet Buschmann. Die betroffenen Kinder bräuchten eine umfassende Begleitung und Betreuung, um Ernährung, Bewegung und Insulingaben auszubalancieren. Im Schulbeirat im Februar 2015 sei deutlich geworden, dass diese von vielen Schulen nicht geleistet werden könne. „Die Debatte dort war der Auslöser“, so Buschmann.

Diese Lücke will die Waldschule füllen. Eine fest angestellte Kinderkrankenschwester, unterstützt von einer Diätassistentin, kümmert sich ganztags um die Kinder, ein medizinischer Beirat berät. Maximal zwei bis vier erkrankte Kinder pro Klasse wolle man aufnehmen. Doch auch Kinder mit anderen Stoffwechselerkrankungen oder Allergien, aber auch adipöse Kinder könnten von dem Konzept profitieren. Ein Neubau für die Grundschule auf dem Schulgelände solle 2018 bezugsfertig sein – Baukosten: rund 5,5 Millionen Euro.

Lernen in der Villa kommt gut an

Während große Privatgrundschulen wie die Freie Evangelische Schule in Möhringen, die jeden Schultag mit einer Andacht beginnt, und die von der evangelischen Schulstiftung getragene Johannes-Brenz-Schule in der Innenstadt seit Jahren ihren festen, großen Interessentenstamm haben, entwickelt sich die erst im vergangenen Herbst gestartete Kolping-Grundschule in der Villa Scheufelen nahe dem Olgaeck sehr dynamisch. Mit acht Kindern hat das jahrgangsgemischte, reformpädagogisch orientierte Lernen im September 2015 begonnen, nach der Halbjahrseinschulung im Winter seien es bereits 16, berichtet die Schulleiterin Susanne Walter. Und mit 50 weiteren Anmeldungen sei die Schule, die in der Villa des ehemaligen Papierfabrikanten Scheufelen untergebracht ist, praktisch voll – nicht nur für das kommende Schuljahr, sondern auch für die nächsten. „Das Konzept schlägt ein“, so Walter. Auch die Vorschulgruppe mit zehn Kindern sei voll. „Die Werte spielen eine große Rolle.“ Von den Konfessionen her seien die Kinder „querbeet“. Betreuung sei für viele Familien ebenfalls wichtig, auch in den Ferien. Praktisch alle Kinder blieben zum Mittagessen und der Hausaufgabenbetreuung. Die Hälfte von ihnen gehe um 14.30, die andere Hälfte bleibe bis 17 Uhr.

„Wir denken darüber nach, wie wir die Schule erweitern können“, sagt Klaus Vogt, der Vorstand des Kolping-Bildungswerks, das vor allem als beruflicher Bildungsträger bekannt ist. „Es wird eine Weiterführung des reformpädagogischen Ansatzes für unsere Grundschüler in einer weiterführenden Schule geben – einem Gymnasium“, so Vogt. Spätestens in zwei Jahren.

Familien wollen verlässliche Betreuung und modernen Unterricht

Ebenfalls dynamisch entwickelt hat sich seit ihrer Gründung vor vier Jahren die von der Klett-Gruppe getragene und nun durchweg zweizügige Galileo-Grundschule in der Alexanderstraße, an die auch eine Kita angeschlossen ist. „Die Klassen sind voll, und es sind auch noch Kinder auf der Warteliste“, sagt die Schulleiterin Petra Ferrari. Auch sie hat festgestellt, dass eine verlässliche Betreuung und feste Ansprechpartner für Familien „extrem wichtig“ seien. „Bei uns fällt nichts aus.“ Doch auch das Englischangebot von Muttersprachlern und eine aktive Auseinandersetzung mit Medien komme gut an. „Wir sind die erste Schule in Baden-Württemberg, die Programmieren für Kinder anbietet“, sagt Ferrari – natürlich kindgerecht.

Auf moderne Medien setzt auch die Merzschule an der Geroksruhe, die mit 251 Grundschülern zu den großen Anbietern gehört. Tablet-gestützter und Computerunterricht ab Klasse zwei, aber auch die neue Orientierungsstufe von Klasse vier bis sechs gehören zu den Besonderheiten. Die element-i-Schule im Stuttgarter Engineering Park (STEP) in Vaihingen ist mit 47 Schülern eher klein. Sie setzt auf das Zusammenspiel zwischen Kita und Grundschule, auf einen guten Betreuungsschlüssel, einen eigenen Koch, ein bilinguales Englischangebot und „interessengesteuertes Lernen“, wie Regina Pfeiffer vom Träger Konzept-e sagt. Auf zehn Kinder komme ein Lehrer, „die Kinder entscheiden, wann sie was machen“. Nicht alle Kinder wohnen in der Nähe. Einige werden auch von ihren Eltern gebracht, die im STEP arbeiten. Abweisen habe man bisher niemanden müssen, so Pfeiffer.

Wo Kinder entscheiden, wann sie was lernen

Die wohl größte Freiheit bietet den Kindern die von Eltern gegründete Freie Aktive Schule in Degerloch, die ohne Noten und ohne Klingel reformpädagogisch arbeitet und wo Selbstständigkeit besonders groß geschrieben wird. Das Angebot wird von Kita und weiterführender Schule bis Klasse zehn flankiert.

Schwerpunkt auf Inklusion und sozialem Engagement

Auch keine Noten, dafür ausführliche Schulberichte erhalten Kinder und Eltern an der evangelischen Torwiesenschule in Heslach, wo Inklusion und soziales Engagement groß geschrieben werden und Eltern von Kindern mit und ohne Handicap eine Elternschaft bilden.

Die vier Waldorfschulen arbeiten zwar nicht nach dem staatlichen Bildungsplan, fallen zahlenmäßig fallen aber ins Gewicht: So ist dort die Zahl ihrer Schüler im Grundschulalter in den vergangenen zehn Jahren von 732 auf 802 gewachsen – das ist fast genauso viel wie die Gesamtzahl der Grundschüler an den anderen privaten Schulen.