Sieht ein bisschen aus wie die Mercedes-Benz-Arena – das Dach des Maracanã-Stadions in Rio. Foto: sbp

Dank Stuttgarter Ingenieurkunst kann im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro wieder Fußball gespielt werden. Unter einem vom Büro Schlaich Bergermann und Partner geplanten Dach fand in Brasilien am Samstag ein inoffizielles Eröffnungsspiel statt.

Rio De Janeiro/Stuttgart - Ein Tunnel, tatsächlich. Höchststrafe. Auch wenn die Figuren nur schemenhaft zu erkennen sind, der Filmschnipsel auf dem Online-Portal You Tube belegt eindeutig: Der eine größte Fußballer aller Zeiten tunnelt den anderen größten Fußballer aller Zeiten. Geschehen nach knapp 18 Spielminuten am 14. Dezember 1968 im Freundschaftsspiel zwischen Brasilien und Deutschland. Franz Beckenbauer hat Pelé für diese Majestätsbeleidigung natürlich längst Absolution erteilt. Doch sie zählt wie viele andere zu jenen Geschichten, weshalb das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro heute Legende ist, ein Tempel des Fußballs, vergleichbar mit dem alten, inzwischen abgerissenen Wembleystadion in London.

Mit Unterstützung aus Stuttgart wird im Maracanã, in dieser für viele Brasilianer heiligen Stätte des Fußballs, seit Samstag wieder gespielt. Unter dem neuen Dach, das Ingenieure des Büros Schlaich, Bergermann und Partner konstruierten, haben unter anderem die Weltmeister Ronaldo und Bebeto die noch nicht ganz fertige Arena inoffiziell eröffnet. 27 000 Zuschauer kamen zu dem als ersten Test anberaumten Spiel zweier von den Altstars anführten Teams.

Seit 2010 wird das Stadion, 2014 Schauplatz des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft, umgebaut. „Gedacht war das Ganze am Samstag auch als eine Art Dankeschön für alle, die am Bau beteiligt waren“, sagt Knut Göppert, Bauingenieur, Spezialist für Stadionbauten und Teilhaber im Ingenieurbüro. So hatten sich am Samstag auch rund 8000 Arbeiter unter dem Zeltdach der weltberühmten Arena versammelt.

Kritisches Umfeld gehört zum Geschäft

Das Maracanã-Stadion hat noch einen zweiten Berührungspunkt mit der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Das Dach folgt wie jenes der Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena dem Konstruktionsprinzip eines Speichenrads. Ein Prinzip, das weltweit bei zahlreichen Stadionprojekten Anwendung gefunden hat. Schlaich, Bergermann und Partner haben seit der WM 2002 in Südkorea und Japan für praktisch alle Fußball-Großereignisse Stadiondächer konstruiert. In Brasilien ist das Büro wieder mehrfach engagiert. Neben dem Maracanã-Stadion wurden das Nationalstadion in der Hauptstadt Brasilia und die Arena von Manaus von Stuttgart aus geplant. Knut Göppert lobt zwar die „professionelle Arbeitsweise“ der brasilianischen Partner. Ein kritisches Umfeld gehört in aufstrebenden Schwellenländern wie Brasilien aber immer zum Geschäft.

Meist mault der internationale Fußballverband Fifa in Person von Präsident Josef Blatter, dass zu langsam gearbeitet werde. In Rio war man sich überdies anfangs nicht einig, ob die alte Maracanã-Arena abgerissen werden sollte. Zuweilen artikuliert sich auch Protest aus der Bevölkerung gegen den Fußball – selbst im fußballverrückten Brasilien. Am Samstag demonstrierten Bürgerinitiativen gegen die Räumung eines Museums, einer Schule und mehrerer Sportstätten, die zugunsten des Umbaus abgerissen werden. Schwierige Rahmenbedingungen sind international tätige Büros wie Schlaich, Bergermann und Partner gewohnt, reden wollen Ingenieure darüber aber eher ungern. Bürogründer Jörg Schlaich hat sich in der Hinsicht einmal eine Mischung aus „Opportunismus und Sendungsbewusstsein“ bescheinigt. Er nehme bei Projekten gelegentlich fragwürdige Bauherrenwünsche in Kauf, denn „ein anderer macht’s vielleicht noch schlimmer“.

Unter anderem wegen der WM-Bauten hat das Stuttgarter Büro eine Niederlassung in São Paolo eröffnet. Diese wird nach dem Fußballgipfel nicht geschlossen. „Für die Olympischen Spiele 2016 in Rio planen wir das Schwimmstadion und die Tennisanlage“, sagt Göppert. Danach erhofft er sich den Zuschlag für diverse Infrastrukturprojekte. Höchst erfahren sind die Stuttgarter Ingenieure unter anderem bei Brückenbauten. Tunnel überlassen sie lieber Pelé.