Eine der Maschinen, die bei Schwäbisch Hall abgestürzt sind. In etwa sechs Wochen soll es einen ersten Bericht zur Unfallursache geben. Foto: SDMG

Bei Schwäbisch Hall stoßen zwei Flugzeuge in der Luft zusammen. Die Piloten aus Stuttgart und dem Kreis Heilbronn sterben. Jetzt suchen die Behörden nach dem Unglücksgrund.

Schwäbisch Hall - Die Bäume blühen, die Wiesen erstrahlen in sattem Grün, Bauern bestellen mit Traktoren ihre Felder. Doch die Idylle bei Schwäbisch Hall wird gestört. Vor zwei ausgedienten Hühnerställen mit Futtersilo stehen Polizeiwagen, ein großer Teil der Wiesen und Äcker ist abgesperrt. Wenige Stunden zuvor ereignete sich an diesem Ort eine Katastrophe: Zwei Flugzeuge sind in der Luft zusammengestoßen, die beiden Piloten aus Stuttgart (74) und aus dem Kreis Heilbronn (76) überlebten nicht.

Die verkohlten Überreste des einsitzigen Ultraleichtflugzeugs, das der ältere Pilot gesteuert hatte, liegen in einem Graben. Ein Absperrband hält Neugierige auf Distanz. Die Maschine war bei dem Unfall ausgebrannt und musste von der Feuerwehr gelöscht werden. Etwa 100 Meter entfernt untersuchen vier Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Schutzanzügen auf einem Acker die Wrackteile des Sportflugzeugs (Cirrus SR 20), in dem der Stuttgarter saß. Das Trümmerfeld erstreckt sich über mehrere hundert Meter.

Die Piloten hatten Kontakt zum Tower

Warum sind die Kleinflugzeuge am Sonntagnachmittag gegen 16.15 Uhr bei ruhigem Wetter in der Luft kollidiert? Nach dem Unglück läuft die Suche nach der Ursache auf Hochtouren. Klar ist mittlerweile, neben der Identität der Toten, dass das Ultraleichtflugzeug im bayerischen Regensburg gestartet war. Das viersitzigen Sportflugzeug, das wahrscheinlich gemietet war, kam laut Polizei aus Stuttgart. „Wir gehen davon aus, dass sich keine weiteren Toten in dem Wrack befinden“, sagt Polizeisprecher Holger Bienert. Die Leichen seien mittlerweile geborgen worden.

Am Sonntag konnten die Rettungskräfte zunächst nicht zu den verunglückten Maschinen vordringen. Laut Polizei bestand die Gefahr, dass in dem Sportflugzeug verbaute Minisprengsätze explodieren könnten. Mit diesen Raketen kann der Pilot im Notfall den Rettungsfallschirm für das Flugzeug auslösen. Warum der Pilot die Rakete nicht abgeschossen hat, könne nur spekuliert werden, sagt Germout Freitag, Sprecher der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU): „Entweder gab es Raketenversagen, oder es wurde nicht am Auslöseknopf gezogen.“

Zum Hergang des Unfalls gibt es viele Fragen und wenig Antworten. Der Polizeisprecher bestätigt jedoch: „Beide Maschinen befanden sich im Landeanflug, beide Piloten hatten Kontakt zum Tower des Adolf-Würth-Airports.“ Dort gibt man keine Auskunft zum Unfallhergang und verweist schmallippig auf die Polizei.

Zusammenstöße von Flugzeugen in der Luft sind selten

Auf die Intenetseite des Flughafens wurde aber ein so genannter Safety Letter hochgeladen, der über wichtige Regeln für Piloten informiert. Die Landung auf dem Flughafen sei eine besondere Herausforderung, da Mischverkehr herrsche. Mit Mischverkehr ist gemeint, dass hier Maschinen im Sicht- und solche im Instrumentenflug unterwegs sind. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass von mehreren anfliegenden Maschinen immer die höher fliegende der tiefer fliegenden auszuweichen habe. Ob einer der Piloten diese Regel missachtete, ist noch unbekannt.

In jedem Fall seien solche Zusammenstöße zweier Maschinen in der Luft nach wie vor selten, betont BFU-Sprecher Germout Freitag. Als einer der wohl größten Fälle dieser Art gilt der Zusammenstoß einer russischen Passagiermaschine und eines DHL-Flugzeugs über Überlingen am Bodensee vor 16 Jahren. „In Relation zu den Flugbewegungen in Deutschland passiert sowas sehr selten“, sagt Freitag. Dass es erst im Januar so einen Unfall mit vier Toten gut 100 Kilometer weiter westlich nahe Karlsruhe gab, sei reiner Zufall. Im Badischen waren ein Rettungshubschrauber und ein Sportflugzeug in der Luft zusammengestoßen. Die Ursache sei noch nicht abschließend geklärt.

Der Zwischenbericht zu der Kollission bei Schwäbisch Hall soll in vier bis sechs Wochen, der Abschlussbericht zum Unfallhergang werde bis zu ein Jahr in Anspruch nehmen. Bis dahin kann nur spekuliert werden: War ein Pilot möglicherweise von der tief stehenden Sonne geblendet? Hatte einer der beiden Senioren gesundheitliche Probleme? Polizeisprecher Bienert kann bisher nichts ausschließen – menschliches wie technisches Versagen sei möglich.

Die Polizei sucht Zeugen und Videos vom Absturz

Auch die Deutsche Flugsicherung in Langen am Frankfurter Flughafen kann zur Unfallursache nichts sagen. „Wir haben keine Lotsen dort“, erklärt Sprecherin Ute Otterbein. An solch kleineren Flugplätzen werde meist auf Sicht geflogen. Heißt: Ohne Führung durch Lotsen. Die Piloten würden ihre Landung per Funk beim Tower anmelden, müssten ihre Maschinen dann aber selbst zu Boden bringen. „Sie dürfen zum Beispiel nicht in Wolken fliegen, weil sie da nichts sehen, müssen auf Abstände selbst achten und ihre Mindesthöhen einhalten.“

Die Polizei ist bei ihren Ermittlungen unter anderem auf Zeugenaussagen angewiesen. Inzwischen hätten sich erste Zeugen gemeldet, die möglicherweise zur Klärung des Unfallhergangs beitragen können. Gesucht wird noch nach einer Gruppe, die sich in dem Bereich aufgehalten habe. Zudem sollten sich Personen, die Filmaufnahmen gemacht haben, bei den Ermittlern melden, sagt der Sprecher der Polizei.

Werner Philipp hat den Unfall nicht beobachten. Trotzdem ist der Ortsvorsteher des nahe gelegenen Tüngental, einem Teilort von Schwäbisch Hall, am Montag am Unglücksort. „Ich will nachschauen, ob es Flurschaden gibt“, sagt er. Die Frage werde mit dem Bauern geregelt, erklärt ihm ein Beamter. Zum ersten Mal war Philipp am Sonntag vor Ort. Die Geräusche der Polizeihubschrauber hätten ihn angelockt. Den Zusammenprall der Flugzeuge habe man hingegen nicht hören können.

Am späteren Montagnachmittag werden die Wracks mit einem Kran geborgen und abtransportiert. Unklar ist noch, ob Teile zur weiteren Untersuchung zur BFU nach Braunschweig gebracht werden.