Zum 80. Geburtstag erhielt der den „Echo“-Preis für sein Lebenswerk, jetzt spielen die Stuttgarter Philharmoniker sein „Second Prelude to the Primal Scream“. Foto: dpa

Die Stuttgarter Philharmoniker versuchen sich mit Werken von Duke Ellington und anderen an der Symbiose von Klassik und Jazz. Aber passen Orchester und Big Band zusammen?

Stuttgart - Die Idee der Stadt Stuttgart, den „Internationalen Tag des Jazz“ am 30. April mit einem Konzert zu feiern, ist lobenswert. Die Unesco hatte ihn als Gedenk- und Aktionstag ausgerufen, um an „die künstlerische Bedeutung des Jazz, seine Wurzeln und seine weltweiten Auswirkungen auf die kulturelle Entwicklung“ zu erinnern – und gerade in Stuttgart gibt es ja eine überaus lebendige Jazzszene: Die Musikhochschule zieht Talente aus aller Welt an, in Jazzclubs wie dem Bix oder der Kiste treten neben internationalen Stars der Szene auch lokale Bands und Musiker auf, von denen einige Weltklasseniveau haben – und dennoch oft für Gagen spielen, für die manch klassischer Musiker nicht einmal seinen Instrumentenkoffer öffnen würde.

Es wären also einige Optionen denkbar gewesen, um bei einem solchen Event diese Vielfalt und Qualität abzubilden. Entschieden haben sich die Verantwortlichen stattdessen für einen Abend mit den Stuttgarter Philharmonikern und der SWR Bigband, bei dem Wolfgang Dauner 2009 komponiertes „Second Prelude to the Primal Scream“ im Mittelpunkt stand, das sich an der Symbiose von klassischem Orchester und Bigband versucht.

Zwischendurch swingt es ganz schön

Nun soll Dauners Bedeutung für den deutschen Jazz nicht in Abrede gestellt werden: Ehrungen wurden dem 83-Jährigen reichlich zuteil, neben dem Bundesverdienstkreuz und vielen anderen Auszeichnungen wurde ihm zu seinem 80. Geburtstag 2016 sogar der „Echo“ für sein Lebenswerk verliehen.

Dennoch darf man fragen, ob dieses Werk den enormen Aufwand rechtfertigt. Schon beim ersten Stück des Abends, Duke Ellingtons „Black, Brown and Beige“, wurde deutlich, dass die DNAs von Jazz und klassischem Orchester möglicherweise einfach zu unterschiedlich sind.

Mehr als Garnitur sind die Streicher da kaum, selbst wenn Ellington ihnen zwischendurch einige melodische Inseln gönnt, doch immerhin: Das Arrangement ist gut gemacht, zwischendurch swingt es auch ganz schön.

Eine richtige Bigband wäre für diese Musik gleichwohl passender.

Eine solche quetschte sich mit der SWR Bigband dann für Dauners monumentales Werk auf die ohnehin schon dicht besetzte Bühne des Beethovensaals, am Pult stand mit Dennis Russell Davies jener Dirigent, der schon die Uraufführung geleitet hatte. Davies hatte auch dieses Mal die Zügel gut in der Hand, konnte die Schwächen des Stücks gleichwohl nicht kaschieren: trotz einiger prägnanter Einfälle wird kaum eine Struktur erkennbar, das Arrangement vor allem der Orchesterstimmen ist klanglich wenig differenziert; eine schlüssige Integration von Bigband und Sinfonieorchester bleibt bei Dauner ebenso Fiktion wie bei Ellington.

Sebastian Studnitzky rettet „Sketches of Spain“

Wie eine Annäherung verschiedener musikalischer Welten gelingen kann, hatte der Arrangeur und Bandleader Gil Evans 1959 in seinem epochalen Album „Sketches of Spain“ gezeigt. Mit seiner durch klassische Instrumente wie Horn, Flöte und Harfe angereicherten Band setzte Evans, nachdem er sich intensiv mit spanischer Musik beschäftigt hatte, deren spezifisches Idiom in Arrangements, die in ihrer Klanglichkeit die herbe Strenge und stolze Melancholie der Vorlagen kongenial widerspiegeln.

Dazu hatte er damals mit Miles Davis einen Partner, der diesen Tonfall in seinen bewusst antivirtuosen, distinkten Soli aufnahm. Das Album wurde zu einer Ikone.

Ob man Evans’ Arrangements live nachspielen sollte, ist freilich die Frage, denn die minutiös austarierte Klangbalance der Studioaufnahme ist im Konzert nur schwer zu realisieren. Die Aufführung im Beethovensaal der „Sketches of Spain“ nun litt aber nicht nur unter der Dominanz des Blechs. Auch rhythmisch geriet da einiges diffus, es fehlte an Präzision wie an Innenspannung und hätte leicht ein Desaster werden können, wäre da nicht der Trompeter Sebastian Studnitzky gewesen. Der ließ in seinen Soli nicht nur – schwer genug – Miles Davis (fast) vergessen. Er erinnerte auch daran, dass es gerade im Jazz nicht unbedingt auf Masse ankommt. Eine einzige Trompete, mit Herz und Hirn gespielt: Das kann reichen.