Anna Durlovski als Elvira in Vincenzo Bellinis „Puritanern“ an der Stuttgarter Oper Foto: A. T. Schaefer/Oper Stuttgart

Dem Sänger und Regisseur wird „Bedrohung der verfassungsmäßigen Ordnung und Sicherheit durch Terrorismus“ vorgeworfen

Stuttgart - An der Stuttgarter Oper mehren sich die Fälle von Künstlern, die in ihren Heimatländern staatlichen Repressalien ausgesetzt sind. Nach dem russischen Regisseur Kirill Serebrennikow, über den in Moskau seit dem vergangenen Sommer Hausarrest verhängt wurde, ist nun auch die Sängerin Anna Durlovski betroffen. Ihr Ehemann Igor, ebenfalls ein Opernsänger und bis zum Frühjahr Intendant der Oper in der mazedonischen Hauptstadt Skopje, sitzt seit November wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft. Der Vorwurf lautet „Bedrohung der verfassungsmäßigen Ordnung und Sicherheit durch Terrorismus“. Bei einem Stuttgarter Gastauftritt in der Oper „Ariodante“ sagte die mehrfach ausgezeichnete und in Stuttgart ebenso wie an der New Yorker Metropolitan Opera in großen Rollen hervorgetretene Sopranistin: „Bei den Menschen in Mazedonien herrscht Angst.“ Es gebe weder Rechtsstaatlichkeit noch Pressefreiheit in dem Balkanstaat. Es sei an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft die autoritären Tendenzen des in die EU strebenden Landes zur Kenntnis nehme.

Igor Durlovski war ebenfalls schon in Stuttgart aufgetreten. In Niccolo Jomellis „Berenike, Königin von Armenien“ hatte der international geschätzte Sänger die Rolle des Aniceto übernommen. Konkrete Vorwürfe oder gar Beweise gegen ihren Mann seien bisher nicht vorgelegt worden, auch sei er noch nicht einmal vernommen worden. „Die Anwälte sprechen von politischer Verfolgung“, sagt Anna Durlovski. Am 28. November seien fünfzehn Uniformierte morgens um sechs in der Wohnung des Paares erschienen und hätten ihren Mann vor den Augen des ältesten Sohnes verhaftet und mitgenommen.

Mazedonischen Medien zufolge soll Igor Durlovski im April zusammen mit anderen Beschuldigten an der Erstürmung des Parlaments in Skopje beteiligt gewesen sein. Dabei waren rund hundert nationalistische Anhänger des langjährigen mazedonischen Regierungschefs Nikola Gruevski in das Parlamentsgebäude eingedrungen und hatten Mitglieder der Oppositionsparteien angegriffen. Die Gruevski-Anhänger reagierten damit auf die Wahl des Albaners Talat Xhaferieines zum Parlamentspräsidenten durch die neue Regierungsmehrheit. Doch sie sei sicher, dass ihr Mann friedlich für ein Mazedonien für alle demonstriert habe. Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen ist unter anderem die territoriale Einheit Mazedoniens. Die slawisch-mazedonische Mehrheit befürchtet, dass die albanische Minderheit für ihre Siedlungsgebiete Autonomie durchsetzen will.

Die Durlovskis hatten viele Jahre in Deutschland und Österreich gelebt und zuletzt sechs Jahre in Stuttgart. Vor zwei Jahren war die Familie mit drei Kindern nach Mazedonien zurückgezogen – „weil wir mit den Erfahrungen aus Deutschland dort für unser Land arbeiten wollten“, erklärt die Sängerin. „Vielleicht haben wir uns wegen unserer Jahre im Westen schon zu sicher geglaubt und den Mund zu weit aufgemacht.“ Dem Land den Rücken kehren, will sie aber auch nach der erhofften Freilassung ihres Mannes nicht. „Das wäre doch ein schlechtes Zeichen, auch für die Kinder“, findet sie.

Die Stuttgarter Oper unterstützt Anna Durlovski bei ihrem Gang an die Öffentlichkeit. Ihre Kollegin, die aus Kroatien stammende Sängerin Diana Haller, gefeierte Mezzosopranistin der Stuttgarter Oper, verlangt per Twitter Gerechtigkeit für Igor Durlosvski. Für eine offizielle Stellungnahme war an den Weihnachtsfeiertagen an der Oper niemand zu erreichen.