Auch die Wahlkampfzentrale des OB-Kandidaten Sebastian Turner wird optisch von seiner Symbolbrezel dominiert. Foto: Leif Piechowski

Sebastian Turner, der Kandidat des bürgerlichen Lagers, verzichtet auf eine Agentur.

Stuttgart - Der Sieger kriegt alles. Für die Verlierer bleibt nichts. Wer aber hat die besten Chancen auf den Stuttgarter OB-Sessel? Neben der Person zählt da die Güte der Wahlkampagne. Wir werfen einen Blick drauf. Zum Auftakt bei Sebastian Turner.

Die Brezel hat’s ihm angetan. Sebastian Turner beißt herzhaft hinein an diesem Morgen, kaum dass eine Mitarbeiterin damit im Wahlkampfbüro in der Schlossstraße 47 eingelaufen ist. Die Brezel ist auch sonst allgegenwärtig. Auf einem Plakat im Büro und auf den Prospekten, die auf diversen Tischen liegen. Da ist es die rote Brezel, deren Ärmchen sich die Hände geben.

Besonders an dieser Symbolbrezel hat der OB-Kandidat Turner einen Narren gefressen. Mit ihr will er die Botschaft unters Volk bringen, dass er für das Miteinander stehe, das Stuttgart nach all den Streitereien um das Bahnprojekt braucht.

Im Zweifel setzt Turner auf die eigene Intuition

Nicht alle fanden die Brezel-Hände, die aus sozialistischer Zeit zu stammen scheinen, gut. Man diskutierte es kontrovers am Runden Tisch der Wahlkampagne, kaum dass der Kandidat die Idee geboren und die Grafikdesignerin sie umgesetzt hatte. Turner weiß es besser: Diese Hände hätten nicht nur etwas Sozialistisches, sondern auch etwas Biblisches. Und man kenne sie von den Naturfreunden. „Wir lassen uns das Händeschütteln aber nicht enteignen.“ Wer es nicht kapierte, bekam es mit dem Schöpfer zu tun, erzählt man sich in Kreisen der Helfer.

Klarer Fall: Turner hat seinen eigenen Kopf. Im Zweifel setzt er auf die eigene Intuition. Zwar sagt er, es komme auf die gute Idee an, und die könne von jedem kommen am Runden Tisch. Aber er sagt auch: „Ich mache, was mich selbst überzeugen würde, mich zu wählen.“

Turner ist der Inspirator und der Aufsichtsratsvorsitzende seiner Kampagne. Auf eine Werbeagentur pfeift er. Sagt er zumindest, der Ex-Chef von Scholz and Friends. Anders als in den USA gebe es in Deutschland keine auf Wahlkampf-Dienstleistungen spezialisierte Agentur. So setzt er lieber auf das Konzept, überall Elemente und Helfer einzusammeln, die er zu brauchen glaubt. Was obendrein noch kostengünstiger sei. Für alles rund ums Grafikdesign engagierte man drei Fachkräfte, die sonst freiberuflich arbeiten. Den Kreativverein Art Directors Club, den er früher anführte, bat er auch mal auf die großzügige Etage, die für seine Kampagne in Sichtweite der CDU-Kreisgeschäftsstelle angemietet ist.

Manche Mitarbeiter kommen nicht immer eigens ins Büro. Stefanie Schorn, die frühere Wahlkampfleiterin von OB Wolfgang Schuster (CDU), und Susanne Wetterich, ehemalige Presseamtsleiterin von OB Manfred Rommel (CDU), sind bisweilen auch daheim in den eigenen vier Wänden für Turner tätig.

„Bin ich der Erste, müssen sich alle konkurrierenden Lager auf mich beziehen“

Das eingekaufte Know-How und die erfahrenen Wahlkampfhelfer der CDU sind für die Umsetzung da. Ein Beirat des Vereins „Bürger-OB Sebastian Turner für Stuttgart“ steht für Beratung bereit. Die Strategie formuliert Turner am liebsten selbst. Wichtigster Ansatzpunkt: Er wollte und will stets der Erste sein. Als OB-Aspirant im bürgerlichen Lager, als Kandidat überhaupt, als Gesicht des Wahlkampfs und möglichst auch als Stichwortgeber der Inhalte.

„Bin ich der Erste, müssen sich alle konkurrierenden Lager auf mich beziehen“, sagt Turner. Wie die SPD bei der langen Suche nach möglichem OB-Personal. „Das ist richtig gelungen“. „Wenn die anderen keine Themen setzen, sich inhaltlich gar nicht distanzieren können, sondern meine Themen verstärken, machen sie mich stärker.“ Am Ende bleibe bei den Multiplikatoren, den Meinungsmachern, das Gefühl, dass hier einer mit einer Idee vorangehe – wie man es von einem OB erwarte. Ein Erfolg ist ihm gewiss – er imponiert zumindest sich selbst: Er führe „für einen, der vorn liegt, einen atypischen, riskanten Wahlkampf“, lobt er sich.

Der Werbeprofi wähnt den OB-Sessel zum Greifen nah

So weit die Theorie. In der Praxis muss er auch noch eigene Parteigänger überzeugen. Turner müsse seinen Weg und seine Rolle noch finden, sagt ein Mitglied der Turner-Kampagne. Turner glaube aber, er habe seine Rolle schon gefunden. Tatsache ist, dass der Werbeprofi den OB-Sessel zum Greifen nah wähnt. Überzeugte Stuttgart-21-Gegner erobern zu wollen wäre aussichtslos. Aber er peilt die „20 Prozent“ an, die bei der Volksabstimmung zwar nicht für die Fortsetzung von S 21 gestimmt hätten, aber nun ihre Ruhe wollten.

Turner weiß aber auch: „Es können noch viele Fehler passieren.“ Er dürfe kein dummes Zeug reden. Besonders dann, wenn er es mit Leuten auf Augenhöhe zu tun habe, müsse er sich besser im Griff behalten. Sie aber reizen ihn eher zu Retourkutschen als Pöbeleien auf dem Volksfest.

Viel hänge für ihn auch davon ab, wie die wirtschaftliche Lage am 7. Oktober sei, sagt Turner. Ansonsten aber gibt er sich zufrieden mit dem Verlauf seiner Kampagne. Auch die Brezel finde großen Zuspruch. Aufkleber und Postkarten davon seien sehr gefragt – überall in der Stadt.

Noch kann Turner Papierbrezeln liefern. Der Teller im Wahlkampfbüro dagegen ist plötzlich leer. Und Turner ist schon weg zum nächsten der bisher rund 300 Wahlkampftermine. Aufgebrezelt mit Krawatte oder ohne? Egal, es muss inzwischen nicht immer ein Binder sein.