Fast immer im Anzug und mit Krawatte: Sebastian Turner. Foto: Leif Piechowski

Ende nächster Woche wird auch die letzte der großen Gruppierungen gerüstet sein für Kampagne zur OB-Wahl.

Stuttgart - Die Wahl zum OB, so hätte es Fritz Kuhn gern, soll zur Heimkehr nach Stuttgart werden. Jetzt war eine kleine Probe. Der Grüne, der nach seinem Abschied aus dem hiesigen Landtag in Berlin in der Politik mitmischte, kehrte an seinen früheren Wohnort Stuttgart-Luginsland zurück. Allerdings nur als Wahlkämpfer.

Wie Kuhn betonen zurzeit auch der bürgerliche Kandidat Sebastian Turner und die parteilose Bewerberin der SPD, Bettina Wilhelm, allenthalben ihre tiefe Verwurzelung in Stuttgart, obwohl sie der Stadt für Jahre den Rücken gekehrt hatten.

Heimatverbundenheit hat Hochkonjunktur. Der Wahlkampf kommt nach dem Ende der Pfingstferien auch zunehmend auf Touren. Noch wird er etwas von der Fußball-EM überlagert. Die Sache werde aber heißer, sagen die Beteiligten. Ganz heiß wird es gegen Ende der Sommerferien. Dann darf plakatiert werden. Die fünf Wochen zwischen Ferienende und dem ersten Wahlgang am 7. Oktober werden vielleicht die Hölle.

Bei der CDU ist der Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann der Wahlkampfleiter

Die organisatorischen Vorbereitungen sind nahezu erledigt. Bei der CDU ist der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann der Wahlkampfleiter für den parteilosen Turner, den er selbst gerufen hat. Bis 29. Juni wird Kaufmann – wie der Grünen-Abgeordnete Kuhn – noch vom Bundestag in Anspruch genommen. Dann kann er sich auf Stuttgart konzentrieren.

Kaufmann musste ran, weil Stephan Schorn, früher Sprecher von OB Wolfgang Schuster, wegen mancherlei Bedenken seinen Hauptjob als Sprecher des Sparkassenverbands nicht ruhen lassen konnte. Immerhin wird Kaufmann durch Schorns Ehefrau Stephanie unterstützt, die 2004 den Wahlkampf des erneut zur Wahl angetretenen Amtsinhabers Schuster leitete. Sie ist Sprecherin des Vereins von CDU, FDP und Freien Wählern, der Turner zum Bürger-OB machen will. Das Büro in der Schlossstraße 47, nur durch einen Innenhof von der CDU-Kreisgeschäftsstelle getrennt, wird von der früheren Chefin des städtischen Presseamts, Susanne Wetterich, geleitet. Eine Werbeagentur für die große Werbelinie sei diesmal nicht engagiert, sagt Kaufmann, schon gar nicht Turners früheres Unternehmen Scholz & Friends.

Unterschlupf fanden Kuhn und Helfer beim Grünen-Kreisverband an Hauptstätter Straße

Für Kuhn arbeiten Thomas Dengler und Julia Ebling, in Normalzeiten für die Gemeinderatsfraktion tätig, auf zwei 50-Prozent-Stellen. Dengler absolviert für Kuhn seinen dritten OB-Wahlkampf nach Tätigkeiten für Rezzo Schlauch und Boris Palmer. So viele Anrufe und Terminanfragen habe es früher nicht gegeben, sagt er. Das könne ein bisschen aber auch daran liegen, dass anders als 2004 der Amtsinhaber nicht mehr antritt. Um Plakate, Flyer, Anzeigen und Internetauftritt kümmert sich die Stuttgarter Agentur „Werbung etc.“.

Unterschlupf fanden Kuhn und seine Helfer beim Grünen-Kreisverband in der Hauptstätter Straße. Monatlich tagt ein großes Wahlkampfgremium, wöchentlich bespricht sich eine kleine Wahlkampfkommission. Man setzt stark auf Veranstaltungen in den Stadtbezirken. Denn: „Die Wahl gewinnen wir nicht in der Innenstadt“, hat Kuhn bei der Jahreshauptversammlung erklärt.

Wilhelm trieb sich gleich ausgiebig auf Wochenmärkten herum

Auch Bettina Wilhelm nahm von Anfang an stark die Außenbezirke ins Visier. Sie trieb sich gleich so ausgiebig auf Wochenmärkten herum, dass der Konkurrent Turner bald verlauten ließ, jetzt müsse auch er mehr auf die Märkte und Kontakt zu den Menschen suchen. Etwas Volksnähe, hatte man bereits im Umfeld des Turner-Förderers Schuster erkannt, könne Turner nicht schaden. Auf seinem ersten Internetauftritt als OB-Kandidat habe man Turner nie ohne Krawatte gesehen, hieß es, während Kuhn nur selten die Krawatte anlegt. Beim Frühlingsfest suchte Turner forsch die Nähe zum Volk. In einem Festzelt ging er auf die Bühne. Manche glauben, dass er dann ausgepfiffen wurde. Andere berichten, Turner sei nur im allgemeinen Lärmpegel untergegangen.

Wilhelm richtet sich nur ein paar Meter entfernt von Kuhns Wahlkampfzentrale ein. In dem Gebäude am Wilhelmsplatz, in dem die SPD von Land und Stadt ihr Domizil hat, wurde eine leere Etage entdeckt und angemietet. Dort will der SPD-Stadtrat und frühere Freudenstädter OB Hans H. Pfeifer die fast zwei Dutzend ehrenamtlichen Wahlkampfberater koordinieren. Von Ende nächster Woche an können die Räume genutzt werden, hofft er.

Wie schon bei der Kandidatenfindung ist die SPD also auch bei der Organisation besonders spät in die Puschen gekommen. Wird sie vom Leben bestraft? Er sehe, hat Pfeifer gesagt, die Kandidatin der SPD auf Augenhöhe mit Kuhn und Turner. Keiner weiß, ob das stimmt. Es könnte sich ohnehin schnell ändern.

Turner: Auftritte in Fernseh-Talkshows und eine auffällige Präsenz in der „Bild“-Zeitung

Zunehmend werden jetzt Werbetricks und Inhalte ihre Wirkung haben. Auf die Medien setzt, wie kaum anders zu erwarten war, ganz besonders Turner. Ihm hilft jetzt auch der Stuttgarter Journalist Adrian Zielcke. „Furchtlos und frei“ hat er sich für Turner entschieden und eine Kolumne auf Turners Internetseite gehoben, deren erste Ausgabe allerdings mehr politisches Bekennerschreiben war. Zielcke habe sich verhältnismäßig früh anerboten, als Turner antrat, freut sich Kaufmann.

Auftritte in Fernseh-Talkshows und eine auffällige Präsenz in der „Bild“-Zeitung konnte Turner schon vor Zielckes Outing für sich verbuchen. Einmal begleitete die Boulevardzeitung Turner zu den Stätten seiner Jugend in Stuttgart. Mehr als einmal widmete sie seiner Kindergärtnerin größtes Augenmerk. Vielleicht, spekuliert man sogar in CDU-Kreisen, liege das an guten Kontakten zum obersten „Bild“-Chef Kai Diekmann.

Vielleicht auch nicht, schließlich hatte die „Bild“-Zeitung auch schon Herz bewiesen, als OB Schuster ums Jahr 2004 herum vor der nächsten Wahl sehr um Zuspruch beim Volk kämpfen musste.