Angela Merkel erhielt bei ihrem Auftitt für OB-Kandidat Sebastian Turner nicht nur Applaus. Klicken Sie sich durch die Bilder. Foto: Leif Piechowski

Die Kanzlerin macht Wahlkampf in Stuttgart. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Königstraße hat Angela Merkel am Freitagnachmittag für den von CDU,FDP und Freien Wählern unterstützten OB-Kandidaten Sebastian Turner geworben. Rund 3000 Zuhörer sind auf den Marktplatz gekommen.

Stuttgart - Schwarze Limousinen, viel Polizei. Der Mann vor dem Kunstmuseum kombiniert richtig. „Da oben ist die Merkel, das kann gar nicht anders sein.“ Ehe sie auf dem Marktplatz für den parteilosen Oberbürgermeisterkandidaten Sebastian Turner wirbt, ist Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem kurzen Empfang ins Kunstmuseum gekommen. Als sich kurz vor drei am Freitagnachmittag die Tür des Glaswürfels öffnet, blitzen die Handykameras vieler überraschter Passanten. Die Kanzlerin habe beschlossen, zum Rathaus zu Fuß zu gehen, heißt es aus Turners Wahlkampfteam.

Eva-Maria Gideon aus Schorndorf hat sich auf der Rathaustreppe postiert und hält ein Schild mit der Aufschrift „Mutti hilf!“. Eine Anspielung auf Angela Merkels Kosenamen in CDU-Kreisen, die sie ironisch meint: „Will Herr Turner denn immer nach Berlin fahren, wenn er hier nicht mehr weiter weiß?“ Gekommen ist die Schorndorferin, „weil vieles, was in Stuttgart passiert auch uns betrifft.“ Karl-Georg Thomas hingegen hält Sebastian Turner für „einen interessanten und unabhängigen Kandidaten“, der nur zu wenig bekannt sei. Der Merkel-Auftritt könnte das ändern, hofft er.

Eskortiert von Sebastian Turner und OB Wolfgang Schuster geht Angela Merkel die Königstraße entlang. Schuster, der sich aus dem Wahlkampf bisher herausgehalten hat, ist als Gastgeber und auf Bitte der Kanzlerin dabei. Hie und da applaudiert jemand. Sonst wird es ehrfurchtsvoll still auf der Einkaufsmeile. Domenico (15), Mergim (15) und Etienne (14) staunen nicht schlecht. Klar wüssten sie, wer da kaum drei Meter entfernt vorbeiläuft: „Die Bundeskanzlerin – ist ja cool.“

„Schön laut ist es hier“, ruft sie den Demonstranten zu

Laut wird es schlagartig, als Angela Merkel auf dem Marktplatz eintrifft. Buh-Rufe und Trillerpfeifen übertönen den Beifall der Turner-Anhänger. Nach Polizeischätzungen sind rund 3000 Zuhörer gekommen, davon 800 Mitglieder von CDU, FDP und Freien Wählern, jene Parteien, die Turners Kandidatur unterstützen. Als fast pünktlich um 15 Uhr der erste Redner ans Pult tritt, beginnt es zu regnen. Turner arbeitet sich durch die Themen Bildung und Stuttgart 21 und am Gegner Fritz Kuhn (Grüne) ab.

Bis dahin schien es, als sei die Kanzlerin mit ihren Gedanken in Berlin, Brüssel oder Washington. Doch als sie ans Mikro tritt, schaltet sie auf OB-Wahlkampf. „Schön laut ist es hier“, ruft sie den Demonstranten zu. Es sei immer einfach, gegen etwas zu sein. Sebastian Turner aber „kann mehr als Trillerpfeifen pfeifen.“ Die Kanzlerin beschreibt Stuttgart als Stadt, der es eigentlich an nichts fehlt. Aber: „Reich wird eine Stadt nicht dadurch, dass nur demonstriert wird.“ Ein OB müsse dafür sorgen, „dass man auch morgen in Stuttgart gut leben kann. Das fängt bei der Bildung an“. Bildung sei die wichtigste Aufgabe, nicht der Bahnhof, hatte Sebastian Turner zuvor gesagt.

Lob für Turner als Wirtschaftsfachmann

Das Bahnprojekt Stuttgart 21 spricht die Kanzlerin auch an, allerdings ohne auf Details wie die jüngst entgleisten Züge oder den mangelhaften Brandschutz einzugehen. Ihr geht es um Großes: „Wie man die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigt, wird auch mit dem Bahnhof entschieden.“ Dabei erinnert Merkel an die Landesmesse, die erst auch viele nicht gewollt hätten. Weiter will sie offenbar nicht in die Lokalpolitik eintauchen. Stattdessen lobt sie Sebastian Turner als Wirtschaftsfachmann, als jemanden, der umsetzt, „was die Bürger wollen“, als einen Mann, „der für seine Stadt kämpft“. Offenbar hat man ihr auch gesagt, dass Turners Chancen möglicherweise steigen, je mehr der über 50 Prozent Nichtwähler aus dem ersten Wahlgang am 22. Oktober abstimmen. Es komme darauf an, dass „viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die für Sebastian Turner sind, zur Wahl gehen.“ Für ihn werbe sie, „weil Deutschland nur gut sein kann, wenn Städte und Gemeinden gut regiert werden“. Nach 40 Minuten endet Merkels Wahlhilfsmission. Es beginnt richtig zu schütten.

Christian Wachutka ist stand während der Kundgebung relativ weit weg von der Bühne. „Was ich verstanden habe, fand ich gut, mit Thrillerpfeifen zu stören ist undemokratisch“, sagt er wenige Minuten später. Die Bundeskanzlerin ist da bereits weg. Sebastian Turner will Richtung Schillerplatz. Er muss sich den Weg durch viele Regenschirme bahnen. Ein Chor aus Stuttgart-21-Gegnern schleudert ihm „Hau ab“-Rufe entgegen.