Der Monat August von 2019 Foto: Daniela Wolf/Nacktkalender

Mit drastischen Nacktfotos prangert ein Stuttgarter Künstlerteam die Vorherrschaft der Autos und deren Dreck an. Am 1. Dezember feiern die Models und Macher im Schlampazius ihren dritten Kalender, der noch gewagter ist als die Vorgänger.

Stuttgart - Lecken die Nackten den Feinstaub von den Kacheln des Schwabtunnels ab? Beim März-Blatt des dritten Stuttgarter Nacktkalenders, der unter dem Titel „Autos statt Stuttgart“ am 1. Dezember, 19 Uhr, bei einer turbulenten Releaseparty im Schlampazius mit Musik gefeiert wird, könnte manch ein Betrachter Ekel spüren. Links auf dem Foto sieht man Autos im Stau, rechts daneben auf der Gehwegseite vier Männer und zwei Frauen, die ungehemmt und völlig unbekleidet liegend, knieend oder stehend zugange sind, als sei’s ein Vergnügen, die verdreckte Tunnelwand mit der Zunge zu liebkosen.

Wer so einen Anblick abstoßend findet, könnte die Idee verstanden haben, die hinter dem Projekt der beiden Künstlerinnen Marie Lienhard, Justyna Koeke und der Künstler Kleon Medugorac steht. „Wir wollten keinen Blümchenkalender machen“, sagt Justyna Koeke, Dozentin der Kunstakademie, „sondern drastisch mit Ironie die Leute zum Nachdenken bringen.“ Marie Lienhard formuliert es knackig: „Wir setzen dem ganzen Bösen unsere nackten Popos entgegen!“

Die Fotos sind nahezu frei von Erotik und Verführung

Mit dem „Bösen“ meint sie die Auswüchse der Autoindustrie. Dieselskandale, Feinstaub, Luftverschmutzung, Staus, überfüllte Parkhäuser – mit Mitteln der Kunst wollen sich die Kalendermacher dagegen wehren. Sie zeigen ganz normale Menschen völlig nackt, die Aufnahmen im hellen Licht sind nicht gerade ästhetisch, nahezu frei von Erotik und Verführung. „Wir sehnen uns nach besserer Luft, weniger Staus und kostenlosem Nahverkehr“, sagt Marie Lienhard, „der öffentliche Raum gehört den Menschen!“ Wer die Fotos dieser alles andere als perfekten Models sieht, könnte sich mit den Unzulänglichkeiten seines eigenen Körpers gar nicht mehr so schwertun. Immer wieder sind die Nacktshootings in Stuttgart aufgefallen, weil sie etwa während der Critical Mass oder in Staus der Heilbronner Straße stattgefunden haben. Mitunter schaute die Polizei vorbei – doch zu Anzeigen kam es nicht. Den Tatbestand des Exhibitionismus gibt es nicht bei Frauen. Einschreiten wollten die Beamten nur, wenn es zur Straßengefährdung komme, wenn Nackte etwa Autofahrer ablenken. „Wird mit Kunst Exhibitionismus legal?“, wurde im Netz gefragt. Mit Sex habe ihre Aktion nichts zu tun, erklärten die Künstlerinnen. Es gehe ihnen nur darum, die Stadt aufzurütteln.

Ende November kommt der Nacktkalender 2019 in den Buchhandel. Erhältlich ist er für 17,99 Euro auch in der Boutique Erotique Frau Blum, im 0711 Store und in der Galerie Marko Schacher.