Zum zweiten Mal müssen auch die Stuttgarter Muslime den Fastenmonat unter Coronabeschränkungen begehen. Das abendliche Fastenbrechen im großen Kreis entfällt. Wenigstens das Nachtgebet ist noch möglich.
Stuttgart - Der Fastenmonat Ramadan ist für gläubige Muslime nicht nur eine Zeit religiöser Einkehr, sondern auch ein Gemeinschaftserlebnis. Man trifft sich nicht nur in der Moschee, sondern auch am Abend nach Sonnenuntergang beim Fastenbrechen zum gemeinsamen Mahl. In der Ditib-Moschee an der Mauserstraße in Feuerbach gab es auch ein Iftar-Essen für Bedürftige. „Das können wir in diesem Jahr nicht machen“, sagt Ismail Cakir, der Vorsitzende der Moscheegemeinde. „Solche Veranstaltung sind leider nicht möglich“, erklärt Cakir, wohl wissend, dass es noch schlimmer hätte kommen können. „Im Vorjahr haben wir gar nicht aufgemacht“, erinnert er sich an den Ramadan im Lockdown während der ersten Coronawelle.
Vieles findet im Privaten statt
Etwa 30 Moscheegemeinden gibt es in Stuttgart. Die Gemeinde der türkisch-islamischen Union Ditib ist mit rund 1300 Mitgliedern die größte. In diesem Jahr sind wenigstens die im Ramadan üblichen Gebetszeiten möglich, fünfmal am Tag, aber eingeschränkt und mit Vorgaben. In der Moschee des Verbands Islamischer Kulturzentren (VIKZ) an der Friedhofstraße im Stuttgarter Norden hat man wegen der Pandemie die Gebetszeiten von jeweils etwa einer halben Stunde auf nur noch 15 Minuten verkürzt. Veranstaltungen gibt es auch hier keine. Nach dem Hygienekonzept muss im Gebetsraum ein Abstand von eineinhalb Metern gehalten und Maske getragen werden, jeder Teilnehmer muss einen eigenen Gebetsteppich mitbringen. Das ist in den Moscheegemeinden aber schon seit geraumer Zeit so. Wie bisher fürs Freitagsgebet, zu dem in der Regel die meisten Menschen kommen, muss man sich online anmelden. „Alte Menschen, die kein Internet haben, können sich aber auch an unserem Checkpoint anmelden“, sagt ein Sprecher der VIKZ-Gemeinde, die rund 200 Mitglieder hat. Dort werde auch bei jedem Moscheebesucher die Temperatur gemessen. Wie so vieles in diesem Ramadan müssen die Gläubigen die rituelle Waschung vor dem Gebet schon zuhause verrichten.
Die Feuerbacher Ditib-Gemeinde geht ähnlich vor. Auch dort ist es möglich, zu den Gebetszeiten ohne Online-Anmeldung zu kommen, auch dort muss man „vor der Tür seine persönlichen Daten eintragen“, sagt Ismail Cakir. Einen großen Zulauf von Gläubigen, wie man das an manchen Festtagen an der Mauserstraße erlebt, gibt es nicht. „Maximal 150 Personen können in die Moschee“, sagt der Vorsitzende. „Es kommen am Tag aber nur 50 bis 100 Personen.“
Nachtgebet trotz Ausgangssperre
Die VIKZ-Moschee kann derzeit höchstens 56 Gläubige aufnehmen, aber mehr als 40 seien bisher nicht gekommen, sagt der Sprecher. „Der Andrang ist überschaubar, bei den Leuten ist die Angst noch da.“
Durch von 21 bis 5 Uhr geltende Ausgangssperre ist auch das traditionelle Nachtgebet der Muslime im Ramadan berührt. Das fand Ende der vorigen Woche um 22.15 Uhr statt. Auch dieses können die Gläubigen aber besuchen. Die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen wie dem Nachtgebet gilt als triftiger Grund, auch nach 21 Uhr noch unterwegs zu sein. Dass es aber dennoch zu keinen Komplikationen kommt, hat die VIKZ-Gemeinde vorgesorgt. „Wir haben die Menschen sensibilisiert und auch einen Ansprechpartner benannt“, sagt der Sprecher. „Wenn es zu Unstimmigkeiten kommt, kann die Polizei bei diesem anrufen.“
Der Zuzug aus Kriegsgebieten hat den Bevölkerungsanteil der Muslime erhöht
Statistik
Nach der jüngsten Berechnungen des Statistischen Amts der Stadt zum Ende des Jahres 2017 lebten etwa 59 000 Bürger muslimischen Glaubens in Stuttgart. Das waren etwa 11 000 mehr als im Jahr 2010. Durch den Zuwachs der muslimischen Bevölkerungsgruppe ist deren Anteil an der Einwohnerschaft von vorher acht um zwei Punkte auf nunmehr etwa zehn Prozent angestiegen. Ein maßgeblicher Teil ist auf die Zuwanderung geflüchteter Menschen aus muslimisch geprägten Ländern zurückzuführen, insbesondere aus Syrien und dem Irak.
Herkunft
Die meisten Muslime stammen weiterhin aus Südosteuropa, wozu auch die Türkei zählt. Von den schätzungsweise 38 000 Muslimen, die im Jahr 2010 in Stuttgart lebten und aus dieser Region kamen, stammten fast 29 000 aus der Türkei. Durch die Zuwanderung von Geflüchteten ist der Anteil der Muslime aus dem Nahen Osten von etwa 7,5 Prozent 2010 auf etwa 14,5 Prozent im Jahr 2017 gestiegen.