Werbung für die Demokratie: VHS-Verbandsdirektor Tobias Diemer, Sibylle Thelen, die Chefin der Landeszentrale für politische Bildung, VHS-Vize Barbara Brodt-Geiger, Michael Lesky vom Volkshochschulverband und Sabrina Möller, Fachbereichsleiterin Politik und Gesellschaft der VHS Stuttgart (von links)Foto: Lichtgut/Max Kovalenko Foto:  

Es ist eine Premiere und ein Experiment: Landesweit beteiligen sich 70 Einrichtungen in 50 Kommunen an der ersten Langen Nacht der Demokratie am 2. und 3. Oktober. Ein Schwerpunkt liegt in Stuttgart mit allein 70 Veranstaltungen.

Lange Nächte sind ein beliebtes Veranstaltungsformat. Die Lange Einkaufsnacht, die Lange Nacht der Museen – das kennt man. Anders ist es mit der Langen Nacht der Demokratie. Zum ersten Mal überhaupt findet in Baden-Württemberg eine so betitelte Lange Nacht statt. Als Datum haben die Initiatoren – der Volkshochschulverband und die Landeszentrale für politische Bildung – den 2. Oktober festgelegt, den Vorabend des Tags der Deutschen Einheit. Dann finden landesweit in etwa 50 Kommunen und 70 Einrichtungen einige Hundert Veranstaltungen statt, die ein gemeinsames Anliegen haben: die Demokratie zu stärken. „Demokratie – gemeinsam stark!“, lautet das Motto der Langen Nacht, für die Landtagspräsidentin Muhterem Aras die Schirmherrschaft übernommen hat. Es soll deutlich werden, „warum Demokratie so kostbar ist“, sagt Sibylle Thelen, die Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung. Sie spricht von „Demokratieerinnerung“. Hier gehe es um Pro und nicht um Kontra.

Allein in Stuttgart gibt es rund 70 Veranstaltungen, die dazu einladen, mitzumachen – ohne Kosten, jedoch mit Engagement. Die Liste reicht vom Speeddating mit Politikern über einen Workshop zu „Sprache des Respekts“ bis zu Stolperstein-Spaziergängen und einer Podiumsdiskussion mit Jugendlichen über die Rolle der sozialen Medien bei der politischen Meinungsbildung. An dem umfangreichen Programm, das bereits am Nachmittag startet und gegen 23 Uhr endet, haben in Stuttgart viele mitgewirkt: die Volkshochschule, die Landeszentrale für politische Bildung, das Netzwerk Partnerschaft für Demokratie, der Stadtjugendring, die Integrationsabteilung der Stadt, die Jugendhaus-Gesellschaft und die proeuropäische Bürgerbewegung Pulse of Europe. Dazu kommen viele Einzelinitiativen, etwa das Deutsch-Türkische Forum, das in sein interkulturelles Café im Hallschlag einlädt, der Verein Ars Narrandi mit dem Programm „Sprichst du Demokratisch?“, der Debattierclub Stuttgart, das Literaturhaus und die Anstifter. Mit einem üppigen Demokratieprogramm können in der Stuttgarter Nachbarschaft unter anderem auch Ludwigsburg, Esslingen, Pforzheim, Sindelfingen, Herrenberg und Wendlingen aufwarten.

Nicht nur ein Event, sondern ein „Weckruf“

Die Idee zur ersten Langen Demokratie-Nacht im Südwesten hatte Michael Lesky, der beim Volkshochschulverband den Bereich Politik, Gesellschaft, Umwelt leitet. Bei der Suche nach attraktiven Veranstaltungsformaten war ihm aufgefallen, dass in Bayern, ausgehend von Augsburg, solche Nächte bereits seit zehn Jahren veranstaltet werden. Die Idee machte die Runde, mündete in eine Ausschreibung und stieß auf starke Resonanz. Dazu trugen nach Einschätzung von Sibylle Thelen auch die jüngsten politischen Entwicklungen bei. Die Correctiv-Enthüllungen über rechtsextreme „Remigrationspläne“ hätten in diesem Jahr viele Menschen mobilisiert. Über die großen Demonstrationen im Frühjahr hinaus wollten sie etwas für die Demokratie tun.

Die Lange Nacht ist dafür wie geschaffen. „Dort wird die demokratische Infrastruktur des Landes sichtbar“, betont Thelen. Und die kann sich sehen lassen. Immer noch würden sich Initiativen melden, um sich zu beteiligen. Der VHS-Verband sieht darin daher auch „mehr als ein Event. Das ein Weckruf!“ Für Stuttgarts Alt-OB Fritz Kuhn, Vorsitzender des Verbandes, ist die Lange Nacht „ein Bekenntnis zur Verteidigung und Stärkung des demokratischen Gemeinwesens“.

Die VHS Stuttgart plant weitere Demokratieveranstaltungen

Dagmar Mikasch-Köthner, die Direktorin der Volkshochschule Stuttgart, hofft, dass am 2. Oktober „die gesamte Stadt für die Demokratie in Bewegung kommt. Wenn wir weiterhin als freie, offene und vielfältige Gesellschaft leben möchten, ist es allerhöchste Zeit, für unsere Demokratie ins Tun zu kommen.“ Ihre Stellvertreterin, Barbara Brodt-Geiger, betont: „Wir wollen etwas von dem demokratischen Spirit aus dem Frühjahr mitnehmen.“ Nach den Worten von Sabrina Möller, bei der die Fäden für die Lange Nacht in der Stuttgarter VHS zusammenlaufen, soll dieser Schwung auch ins nächste Jahr reichen, wenn die nächste Bundestagswahl stattfindet.

Hoffen auf mehr finanzielle Unterstützung

Der VHS-Verbandsdirektor Tobias Diemer sieht darin ebenfalls eine langfristige Aufgabe. Es sei wichtig, „wieder Lust auf Demokratie zu machen“. Die Lange Nacht soll deshalb auch keine Einmalveranstaltung bleiben, sondern im Zweijahresrhythmus stattfinden. Über den persönlichen Einsatz hinaus kostet Demokratie allerdings auch etwas. Die von einer Jury ausgewählten 20 Pilotstandorte erhielten aus Landes- und Stiftungsmitteln jeweils 5000 Euro. In Summe 100 000 Euro. Alle anderen müssen die Teilnahme aus eigener Kraft stemmen. Beim Volkshochschulverband und der Landeszentrale für politische Bildung ist man dankbar für die finanzielle Unterstützung, macht aber auch keinen Hehl daraus, dass es gerne etwas mehr sein dürfte. Geld für die Lange Nacht sei „gut angelegt“. Darin sind sich die Veranstalter einig.

Zumal das Ganze nicht im Stil eines Proseminars an einer Hochschule aufgezogen werden soll, sondern lebendig und spielerisch. Mit vielen persönlichen Begegnungen und „sinnlichen Momenten“. „Demokratie soll auch ans Herz gehen“, sagt Thelen. Deshalb feiert die Volkshochschule im Treffpunkt Rotebühlplatz am 2. Oktober ab 19.30 Uhr auch ein „Fest der Demokratie“ mit Musik, Theater und Talkrunden. Mikasch-Köthner will damit ein „energiegeladenes Zeichen für die Demokratie setzen“.

Das Programm

Besonderheiten
Die Lange Nacht der Demokratie am 2. Oktober findet in Stuttgart dezentral statt. Zu den voraussichtlichen Höhepunkten zählt die erste Stuttgarter Demokratiewerkstatt von 15 bis 19 Uhr im Jugendhaus Heslach, organisiert von der Stuttgarter Jugendhaus-Gesellschaft, dem Stadtjugendring Stuttgart, der Stadt Stuttgart sowie der Partnerschaft für Demokratie. Ziel ist, verschiedene Akteure der Demokratiebildung mit Pädagogen und außerschulischer Kinder- sowie Jugendbildung zu vernetzen. Dafür ist eine Anmeldung erforderlich.

Das gesamte Stuttgarter Programm steht unter: vhs-stuttgart.de/spezial/lange-nacht-der-demokratie Angebote in Ludwigsburg unter: vhs-ludwigsburg.de/langenachtderdemokratie

Veranstalter
Auf Landesebene wird die Lange Nacht der Demokratie getragen von der Allianz für Beteiligung, dem Demokratiezentrum Baden-Württemberg, der Kirchlichen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (Kilag), dem Landesjugendring, der Landeszentrale für politische Bildung und dem Volkshochschulverband. Außer in Baden-Württemberg findet eine Lange Nacht der Demokratie in diesem Jahr erstmals auch in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein statt. red