Nach Drohschreiben an Politiker und Brandbombe: Ein von Stuttgart aus agierendes Duo muss knapp zweieinhalb Jahre ins Gefängnis.
Stuttgart - Während der Planung ihrer Taten hätten Nicole G. und Martin E. diese Einschätzung ganz bestimmt nicht gerne gehört. „Zur Champions League gewaltbereiter Linksextremisten gehören Sie ganz sicher nicht.“ So lautet das Fazit des Vorsitzenden Richters Rainer Gless bei der Urteilsbegründung der 9. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts. Am Ende kann den beiden Angeklagten diese Beurteilung aber nur recht sein. Denn ihr unprofessionelles Vorgehen hat zur Folge, dass die Strafe nicht härter ausfällt. Die beiden linksextremistischen Aktivisten, die sich seit acht Monaten in Untersuchungshaft befinden, wurden jeweils zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Von einer Bewährungsstrafe, worauf die Verteidigung abzielte, sei aufgrund der bestehenden Fluchtgefahr abgesehen worden, erklärte Gless. Die Staatsanwältin hatte zuvor eine dreieinhalbjährige Haftstrafe gefordert.
Insgesamt 41 Drohbriefe wurden verschickt
Am Ende wurde das Duo, das vor seiner Verhaftung in Stuttgart gemeldet war, der Nötigung, der versuchten Nötigung und der versuchten Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Die Kammer sah davon ab, die beiden 39-Jährigen für versuchte Brandstiftung zur Verantwortung zu ziehen. Dass sie im Sommer 2020 Brandsätze an der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg sowie auf dem Anwesen des Fleischfabrikanten Clemens Tönnies anbrachten, wurde letztlich als „Denkzettel“ gewertet. Die Absicht sei erkennbar gewesen, keinen großen Schaden herbeiführen zu wollen. Der völlig missglückte Brandanschlag auf die Agentur für Arbeit wurde nachts an einem Seiteneingang ausgeführt.
Kontakt mit RAF-Terrorist
Einen ungefährlichen Eindruck sollten die insgesamt 41 Drohbriefe, die die Täter zwischen Dezember 2019 und Oktober 2020 in fünf Wellen verschickten, aber ganz sicher nicht machen. Empfänger waren hochrangige Politiker, unter anderem Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bundesinnenminister Horst Seehofer sowie Vertreter aus Justiz, Wirtschaft oder von Verkehrsbetrieben. Diese wurden dazu aufgefordert, angebliche Missstände in ihren Bereichen zu beseitigen. Um den Briefen Nachdruck zu verleihen, wurden den Schreiben Platzpatronen, Messer oder Brandbeschleuniger beigelegt – unterzeichnet mit „Militante Zelle (MIEZE)“.
Bei der Auswertung der sichergestellten Beweismittel stießen die Ermittler auch auf einen Schriftverkehr von Martin E. mit Karl-Heinz Dellwo. Dellwo gehörte 1975 zu den RAF-Terroristen, die an der Geiselnahme und den beiden Morden in der Deutschen Botschaft in Stockholm beteiligt waren. 1995 wurde der zu lebenslanger Haft verurteilte Dellwo entlassen. Das Duo wollte sich von prominenter Stelle seine Pläne legitimieren lassen, für die sie sich vor Gericht nun entschuldigten.