Aushängeschild Stuttgarts: Kunstmuseum am Schlossplatz Foto: Gonzalez

Die Neuordnung der Bürgermeisterbank in Stuttgart verweist das zentrale Thema Kultur auf die Plätze – kein Ruhmesblatt für die Landeshauptstadt, sagt „Stuttgarter Nachrichten“-Titelautor Nikolai B. Forstbauer

Stuttgart - Weithin und ungemein vielfältig leuchtet die Kultur in der Landeshauptstadt Stuttgart. Schillernd und glänzend, aber auch betont nahe an gesellschaftlichen Entwicklungen. Möglich wird der produktive Widerstreit etwa zwischen den Staatstheatern Stuttgart auf der einen und den Stadttheatern sowie der freien Szene auf der anderen Seite durch einen vielfachen Schulterschluss von Stadt und Land, aber auch durch ein sehr bewusstes Bekenntnis der Stadt Stuttgart. Nicht nur zur Kulturförderung an sich, sondern auch zu einer eigenen Programmatik.

Wolfgang Schusters politischer Wille

Wer sich heute über das Kunstmuseum am Schlossplatz, das Theaterhaus am Pragsattel oder über den Neubau der Stadtbibliothek am Hauptbahnhof freut, sollte sich daran erinnern, dass unbedingter politischer Wille hinter diesen Projekten stand. Der spätere Oberbürgermeister Wolfgang Schuster trieb als Kulturbürgermeister (1993 bis 1997) Kulturprojekte als Teil der Stadtentwicklung voran. Schusters Wort von den Kultureinrichtungen als „Frequenzbringer“ lässt sich widerstreitend diskutieren. Unstrittig aber ist: Schuster machte die Kultur zu einem Schwergewicht im Rathaus.

Susanne Eisenmann setzte von 2005 an diese Linie fort – und forcierte eine neue Kraft: n Nicht an eine feste Einrichtung gebundene freie Gruppen, die über Projektförderungen neue Wege gehen konnten. Dieser Kurs ist nicht zu Ende – und er hat einen durchaus gefährlichen Haken: die schleichende strukturelle Unterfinanzierung der angestammten Kultureinrichtungen. Susanne Eisenmann hat darauf wiederholt aufmerksam gemacht.

Die Aufgabe wächst

Die Aufgabe der Verantwortung für die Kulturpolitik in der Landeshauptstadt ist gewichtig, und sie wird weiter anwachsen: Gewaltig ist ja – ausgehend von der Sanierung des Opernhauses – die Herausforderung der auch städtebaulichen Neuordnung des Staatstheater-Areals im Oberen Schlossgarten. Weitere Dynamik verlangt das Kunstmuseum Stuttgart, wenn es seinen national und international erreichten Rang halten will. Und wer einen international agierenden Dirigenten wie Dan Ettinger zum Lenker der Philharmoniker macht, muss sich auch dessen Qualitätsansprüchen stellen.

Weiter aber greift das Aufgabenfeld aus: Immer mehr sind Kultureinrichtungen Treffpunkte und Impulsgeber für die Stadtquartiere. Der von Susanne Eisenmann initiierte Anlauf, die Kultur analog zum Sport zu einem integralen Bestandteil des Ganztagsschulkonzepts und einer Integration ernst nehmenden Sozialpolitik zu machen, muss fort- und umgesetzt werden.

Und noch größer wird die Aufgabe: Das Theaterhaus-Areal am Pragsattel braucht eine Gesamtkonzeption, die Innovation nicht nur einfordert, sondern sichert. Und überfällig ist die Herausforderung, die Dichte herausragender Kultureinrichtungen von der Staatsgalerie über das künftige Stadtmuseum, das Landesmuseum und das Kunstmuseum, die Innenstadtkinos, das Kunstgebäude und die Staatstheater-Spielstätten als Kulturquartier zu begreifen und für die Bewohner der Metropolregion entsprechend erlebbar zu machen.

Kultur ist ein Schwergewicht in Stuttgart – und damit muss auch die Kulturpolitik ein Schwergewicht sein. Die nun von Oberbürgermeister Fritz Kuhn vorgelegte Planung, nach dem Wechsel von Susanne Eisenmann an die Spitze des Kultusministeriums die Kultur in ein Referat zu bringen, das zuvorderst für Personalfragen, Datenschutz und Rechtsfragen zuständig ist, muss enttäuschen. Egal wer die Rolle übernehmen wird: Hier gibt es schon jetzt Korrekturbedarf.

nikolai.forstbauer@stuttgarter-nachrichten.de