Matthias Habich spricht den Detektiv Gideon Fell. Foto: obs

Im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte sendet der SWR am 23. März 2019 das Hörspiel „Tote schlafen leicht“. Das Besondere daran: Es entsteht unter großem Aufwand in Echtzeit vor Publikum.

Stuttgart - Kaminfeuer knistert, Schritte schleichen über Matsch und Kies, eine Waffe wird entsichert. Der Hörer befindet sich auf kriminellem Territorium. Die Spannung steigt. Noch spannender wird es für alle jene, die an diesem Samstag live dabei sind, wenn der SWR im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte sein Live-Hörspiel „Tote schlafen leicht“ ausstrahlt. Während andere daheim vorm Lautsprecher sitzen und von den Stimmen und Klängen aufgesogen werden, erleben sie im Funkstudio, wie die Illusion entsteht.

Die große Zeit des Hörspiels waren in Deutschland die 50er und 60er Jahre. Heute entstehen Hörspiele in eigens eingerichteten Studios, aufwändig produziert unter Bedingungen, die live nur schwer umsetzbar sind. „In einer so großen Form wie hier, mit einer solchen Vielschichtigkeit, wurde das meines Wissens noch nie gemacht“, sagt der Regisseur Günter Maurer.

Akustische Wundertüte

Hier entsteht Retro-Kino für die Ohren. Kein Wunder dass sich der SWR für ein Stück entschieden hat, das in den 1930er Jahren spielt, mit einem Detektiv klassischen Zuschnitts. John Dickson Carr (1909-1977) gilt als einer der profiliertesten Krimiautoren seiner Zeit. Sein Detektiv Dr. Gideon Fell ist deutlich dem berühmten Pater Brown nachempfunden: ein übergewichtiger Herr mit Stock und scharfem Verstand. „Tote schlafen leicht“ wurde vom SWR bereits 1985 als Hörspiel produziert und schlummerte in den Archiven. „Das Stück bietet verschiedene Spielmöglichkeiten“, sagt Maurer. „Es hat gute Charaktere und einige Ortswechsel, die für uns akustisch interessant sind.“

„Tote schlafen leicht“ will alles zugleich bieten: einen spannenden Kriminalfall, ein Charakterstück für Sprechstimmen, ein Erlebnis fürs Live-Publikum, eine akustische Wundertüte. Größte Herausforderung: die Arbeit vor Publikum, das nicht ins Hörspielstudio des Senders gepasst hätte. Deshalb ging es ins Funkstudio im Park der Villa Berg, wo sonst Chöre und Orchester spielen. Dort herrschen andere Bedingungen. „Die Mikrofonierung“, sagt Günter Maurer, „funktioniert nicht so wie im Hörspielstudio. Wir haben sehr viele Mikrofone und Mikrofonwege getestet, alle technischen Tricks versucht.“

Zeit für Stimmungsmusik

Gut zehn Tage dauerten die Vorbereitungen. Drei Tage vor der Live-Sendung probt der Regisseur mit Schauspielern, Technikern und fünf Studierenden des Studiengangs Studiengang Sprechkunst und Sprecherziehung der Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Zwei Musiker sind dabei, werden auch live auftreten: Cornelius Schock sitzt an den Keyboards, Klaus-Peter Schöpfer spielt Gitarre. Beide arbeiteten bereits in unterschiedlichen Zusammenhängen für den SWR, schufen Jingles, Theatermusiken.

„Eigentlich“, sagt Schock, „spielen wir hier nach dem Drehbuch. Die Noten stehen in der zweiten Reihe. Das Buch gibt uns unsere Einsätze – bestimmte Signale, Sätze der Schauspieler, die uns sagen, wann wir beginnen, aufhören sollen.“ Schöpfer und Schock haben ein Thema für das Hörspiel komponiert, von dem sie Elemente immer wieder aufnehmen, variieren, in unterschiedliche Tonarten übersetzen. „Die Musik soll die Stimmung unterstreichen“, sagt Klaus-Peter Schöpfer. „Wenn es gruselig wird, wird sie düster und es kommen ein paar Schreie der Gitarre; in der Schlussszene dann wird es fröhlich, humoristisch, kommt eine Mandoline.“

Rascheln, stampfen, knarren

Die Stimmung zu unterstreichen, die sprachlichen Bilder zu illustrieren – das ist natürlich auch die wichtigste Aufgabe der fünf Studierenden. Dominik Eisele, Magnus Rook, Julia Reuter, Friederike Wiechmann und Max-Walter Weise füllen als Sprecher auch Nebenrollen aus, sind Taxifahrerin, Telefonistin, Chauffeur, Butler, Priester, flüstern geisterhaft Namen und Sätze in Mikrofone. Vor allem aber rascheln, stampfen, knarren sie.

Wie Geräusche gemacht werden in Funk und Fernsehen – das erleben die Besucher am Samstag live: da wird der Bandsalat zum Kaminfeuer, Bleche senden Donner, Schuhe unterschiedlicher Größe treten auf, matschig, hölzern, hart. Ein schweres Riegelschloss knallt und die Waffe ist entsichert. Die Schauspieler stehen derweil an ihren Mikrofonen, sprechen ihre Rollen, wechseln ihre Standorte, bespielen den Raum. Jede Menge schauspielerische Elemente verspricht der Regisseur – bei der Arbeit am Hörspiel bleiben sie meist noch außen vor.

Shakespeare oder Goethe

Matthias Habich, Elisabeth Findeis, Andreas Klaue, Susanne Theil , Volker Risch und Jürgen Stöckle feilen an ihren Szenen. „Das ist also die berüchtigte Bibliothek, in der Geister spuken und ein Telefon von selber spricht“, raunt der Detektiv. „Ihr nahet euch wieder, schwankende Gestalten“. Sein Gegegnüber rät: „Shakespeare?“. Der Kriminalist schweigt indigniert. „Goethe“, sagt er dann ruhig. „Zueignung. Bitte!“

„Es wird einige unerwartete Wendungen geben“ - mehr verrät Regisseur Günter Maurer über „Tote schlafen leicht“ nicht. Nur eines noch: „Man wird nicht schon nach zehn Minuten wissen, dass der Gärtner alle umgebracht hat.“ Ganz sicher nicht? Ja, denn: „Es gibt keinen Gärtner.“

Ausstrahlung: SWR 1 BW, 23. März 2019, 20.15 Uhr