Ein Haus der Helligkeit: das neue Kinder- und Jugendhospiz in der Diemershaldenstraße. Foto: Tatjana Eberhardt

Wo Stuttgart wahre Größe zeigt: das neue Kinder- und Jugendhospiz strahlt über die Stadt hinaus aus, findet Lokalchef Jan Sellner.

Stuttgart - An manchen Tagen geht man durch die Stadt und denkt „Wow Stuttgart!“ In solchen Momenten, die glücklicherweise gar nicht so selten sind, sinkt die Feinstaubbelastung gefühlt rapide. Die vielen Baustellen und Staus lösen sich in Luft auf, vergessen sind die eitlen Streits um die Stadtentwicklung. Auch die störende Enge ist plötzlich weit weg. Ein solcher „Wow“-Moment war der Besuch im neuen Kinder- und Jugendhospiz in der Diemershalde an den Tagen der offenen Tür.

Initiiert von Ex-Prälat Martin Klumpp und mit professioneller Unterstützung etwa der Doris-Leibinger-Stiftung ist in der ehemaligen Villa Wittmann etwas entstanden, das über Stuttgart hinaus ausstrahlt. Dieses erste Kinder- und Jugendhospiz in Südwestdeutschland orientiert sich am Leben. Ein Haus der Helligkeit ist es geworden, der Stadt und den Menschen zugewandt. Form und Inhalt rechtfertigen die Bezeichnung „Villa Liebevoll“. Mit Einrichtungen wie dieser zeigt Stuttgart wahre Größe.

Orte des Lebens stärken

Gewidmet ist das Kinder- und Jugendhospiz „den verlierbaren Lebenden und den unverlierbaren Toten“, wie es im Gästebuch heißt. Alles dort ist darauf ausgerichtet, „den Tagen mehr Leben zu geben“, entsprechend dem von Cicely Saunders formulierten Grundgedanken der von ihr buchstäblich ins Leben gerufenen Hospiz-Bewegung. Auch oder gerade in dem Bewusstsein, dass dem jungen Leben nicht mehr Tage gegeben werden können. Solche Orte gilt es zu stärken. Die Aktion Weihnachten, die große Benefizaktion unserer Zeitung, will daran mitwirken, indem sie das Kinder- und Jugendhospiz in den Blickpunkt ihrer diesjährigen Spendenkampagne stellt, zusammen mit dem Projekt „Kinderhelden“, einer Initiative zugunsten benachteiligter Kinder.

Den Tagen mehr Leben geben, mehr schöne Augenblicke . . . dazu tragen Leser auch auf andere Weise bei. Vor zwei Wochen haben wir an dieser Stelle über den jungen Krebspatienten Jacob aus dem US-Bundesstaat Maine berichtet. Die Eltern des Neunjährigen hatten über Facebook darum gebeten, ihrem todkranken Sohn Weihnachtskarten zu schicken, weil er das Weihnachtsfest nicht mehr erleben würde. Jacob wünschte sich Pinguin-Motive, sein Lieblingstier. Aus aller Welt traf Pinguin-Post ein – darunter von Pinguin Paul, dem Kinderchefreporter unserer Zeitung. Auch mehrere Leser schickten dem Jungen Pinguin-Bilder. Leserin Christa Förster ließ Jacob wissen: „Auch wir haben Kinder, und die haben wir genauso lieb wie Deine Eltern Dich. Du bist etwas besonderes für sie.“

Abschied von Jacob

Vergangenes Wochenende – zeitgleich mit der Eröffnung des Stuttgarter Kinder- und Jugendhospiz – beschritt Jacob in Maine den Weg von den verlierbaren Lebenden zu den unverlierbaren Toten. Seine Eltern schrieben: „Jeder, der Jacob eine Weihnachtskarte schickte oder für ihn betete, hat in den letzten Tagen seines Lebens etwas bewirkt.“

Den Tagen Leben geben . . . In diesem Satz steckt viel Würde. Einen musikalischen Ausdruck findet diese Haltung in dem zeitlosen Titel „All we do“ der Band „Oh Wonder“ (zu hören auf YouTube). Ein Lied des Lebens passend zum Ewigkeitssonntag und zur Villa Liebevoll. Wow!

jan.sellner@stn.zgs.de