Feiertag in Degerloch: Die Kickers bejubeln das 1:0 gegen Osnabrück Foto: Baumann

Mitfiebern, mitleiden, mitjubeln: Dieser 1:0-Sieg des Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers gegen den VfL Osnabrück war Werbung für die Blauen.

Stuttgart - Unten auf dem Spielfeld fielen sich Trainerteam und Spieler in die Arme. Auf den Rängen jubelten die Zuschauer wie zuletzt 2006 beim DFB-Pokal-Coup gegen den HSV. „Dieser Sieg ist einer der geilsten, die ich mit den Kickers je erlebt habe“, sagte Kapitän Enzo Marchese. Die emotionalen Höhepunkte dieser denkwürdigen Partie:

Das Tor: Die Kickers machten in der ersten halben Stunde ein Riesenspiel. Doch nur eine von fünf klaren Chancen führte zum Erfolg: Lhadji Badiane traf nach fünf Minuten.

Die Rote Karte: Bei einem langen Ball der Osnabrücker stimmte die Staffelung in der Kickers-Hintermannschaft nicht, Patrick Auracher zog gegen Adriano Grimaldi die Notbremse (43.). Über den Platzverweis gab es keine zwei Meinungen. Das Publikum reagierte prächtig und peitschte die Mannschaft noch mehr an.

Der Torwartwechsel: Zwei Minuten nach der Roten Karte landete Kickers-Torwart Markus Krauss – bedrängt von Grimaldi – unglücklich auf dem Boden und kugelte sich den Ellbogen aus. Die Fans der Blauen tobten. Krauss musste ins Katharinenhospital eingeliefert werden. Mannschaftsarzt Christian Mauch rechnet mit einer Pause von drei bis fünf Monaten. Für Krauss kam Mark Redl (21) zwischen die Pfosten, der seine Sache gut machte. Doch in den kommenden Spielen setzt Trainer Horst Steffen im Tor auf Erfahrung: Er legte sich auf Daniel Wagner (27) als Nummer eins fest.

Die Abwehrschlacht: Mit dem eingewechselten Julian Leist als Turm in der Schlacht überstanden die Blauen nach der Pause einige brenzlige Situationen im eigenen Strafraum. „Da hatten wir auch das nötige Glück“, gab Steffen zu. Die enorme Laufbereitschaft und die eiserne Disziplin der Spieler honorierten die Zuschauer mit immer mehr Unterstützung.

„Das war Werbung pur für die Kickers“, jubelte Präsident Rainer Lorz. Die kann der Club auch gut gebrauchen. Gegen Osnabrück kamen nur 3450 Zuschauer. Doch Sportdirektor Zeyer ist sich sicher, dass Erlebnis-Fußball auch in Degerloch auf Dauer honoriert wird. Der Ex-Profi erinnert sich an die Zeiten beim SC Freiburg in den 1990er Jahren. „Wir haben herumgedoktert, warum nur 2500 Fans kommen. Ein paar Jahre später strömten über 10 000 ins Stadion.“ Damit kein falscher Verdacht aufkommt: Weder Zeyer noch der Trainer und die Spieler brechen nach dem neunten Sieg im Gazistadion hintereinander in Euphorie aus und träumen von der zweiten Liga. „Wir wissen, wo wir herkommen.“ Wie abgesprochen spulten alle Beteiligten diesen Satz ab. Auch das ist neu bei den Kickers: Selbst nach einem Feuerwerk an Emotionen wissen sie die Lage wohltuend realistisch einzuschätzen.