Seine Tätigkeit ist unterm Fernsehturm beendet: Horst Steffen ist nicht mehr Trainer der Stuttgarter Kickers. Foto: Baumann

Mitte Oktober wollten die Stuttgarter Kickers mit Trainer Horst Steffen verlängern, vor einer Woche wollte trotz einer Niederlagenserie keiner von Trennung reden – nun folgt doch die Entlassung. Wirklich glücklich darüber ist niemand.

Stuttgart - Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. So lässt sich der 4. November 2015 für die Führungsriege der Stuttgarter Kickers beschreiben. „Es war kein schöner Tag für uns“, sagte Sportdirektor Michael Zeyer über den Mittwoch; über den Tag, an dem er gemeinsam mit Präsident Rainer Lorz und Präsidiumsmitglied Frieder Kummer dem Chefcoach Horst Steffen gegen 13 Uhr die Entscheidung mitteilte, dass seine Trainerdienste im ADM-Sportpark nicht mehr gefragt seien. „Es tut mir sehr leid, dass es nur zwei Jahre waren“, sagte Zeyer, „und dass wir nicht das geschafft haben, was wir uns vorgenommen hatten.“

Man darf es dem Sportdirektor glauben, dass ihn diese Trennung menschlich berührte. Zwölf Tage vor der Verpflichtung von Horst Steffen am 30. September 2013 hatte der heute 47-Jährige seinen Posten in Degerloch angetreten – gemeinsam wollten die Ex-Profis die akut abstiegsbedrohten Blauen in eine rosige Zukunft führen. Der Abstieg wurde grandios verhindert, vergangene Saison wurde der Relegations-Aufstiegsplatz nur um zwei Punkte verpasst, doch nach gutem Start folgte in dieser Runde eine sieglose Zeit vom 11. September an. Einem Remis folgten sechs Niederlagen, nun trennt ein Punkt die Kickers von den Abstiegsrängen.

Bei Zeyer reifte nach dem 0:1 am vergangenen Samstag in Erfurt die Erkenntnis, dass der Weg mit Steffen zu Ende gehen sollte. „Wenn man zu der Überzeugung gelangt, dass andere Konstellationen als die aktuelle vielversprechender sind“, sagte der gebürtige Neresheimer, „dann muss man handeln.“ Am Sonntag nahm er zum derzeit arbeitslosen Trainer Tomislav Stipic Kontakt auf, es fanden bis Dienstag Gespräche statt – und schließlich votierte das Kickers-Präsidium am Dienstagabend für die Trennung von Steffen. Am Samstag (14 Uhr/Gazistadion) gegen den FSV Mainz II wird U-23-Trainer Alfred Kaminski auf der Bank sitzen, am Montag wird der neue Kickers-Coach Stipic offiziell vorgestellt. „Wir sind zur Überzeugung gelangt“, erklärte Präsident Lorz, „dass neue Impulse notwendig sind.“

Nun soll es Tomislav Stipic richten

Worte in der Art dürfte Horst Steffen vernommen haben, als ihm die Granden seine Entlassung mitteilten. Im Krefelder stiegen Emotionen hoch, die vorherrschende war grenzenlose Enttäuschung. „Es war ein sehr, sehr trauriger Augenblick“, sagte der 46 Jahre alte Fußball-Lehrer. Niedergeschlagen war er besonders deshalb, weil er damit gerechnet hatte, dass die Blauen ihm länger das nötig Vertrauen schenken würden. Dass sie es ihm zugetraut hätten, das Schiff wieder in ruhigeres Fahrwasser zu geleiten. Das hatte man auch aus den jüngsten Äußerungen der Vereinsführung schließen können. Womöglich sah die Mannschaft das ähnlich – als sich Horst Steffen am Nachmittag von den Profis verabschiedete, konnte der eine oder andere gestandene Fußballer die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Fraglos trägt der Coach eine Mitschuld an der Misere, den Kader hat er maßgeblich zusammengestellt – der Abwehr fehlt ein Fels, viele Neue kamen aus Bundesliga-Reserven und hatten eine ansehnliche Krankenakte im Gepäck, Filigrantechniker Besar Halimi wurde nicht adäquat ersetzt, zudem verließen teamprägende Urgesteine wie Nick Fennell und Fabian Gerster den Club. In der sich zuspitzenden Krise rückte der Sportdirektor allmählich vom Trainer ab, er hat offenbar zunehmend das Vertrauen in die Heilungskräfte des Coaches verloren. „Die Niederlagen-Serie allein war nicht ausschlaggebend für den Schritt“, räumte Zeyer ein.

Allerdings steigt mit dieser Personalentscheidung der Erfolgsdruck auf den 47-Jährigen, denn Zeyer war ebenfalls an der Kaderzusammenstellung beteiligt – mit Steffens Entlassung wird dokumentiert, dass die aktuelle Mannschaft den Ansprüchen der dritten Liga genügt. Wäre dem nicht so, hätten die Blauen mit dem Krefelder ja weitermachen können. Nun soll es Tomislav Stipic richten, der zuletzt bei Erzgebirge Aue auch für Offensivgeist und Tempo-Fußball stand.

Steffen ist bei den Kickers Geschichte, für Gefühlsduselei ist wenig Platz im Profi-Geschäft. Und womöglich war bei all den Emotionen um die Entlassung von Horst Steffen die eine oder andere Krokodilsträne dabei.